Der Gossenköllesee in den Stubaier Alpen liegt auf 2.416 Meter Seehöhe und ist zwischen November und Mitte Juni von Eis und Schnee bedeckt, alles darunter verschwindet in der Finsternis.

Foto: Universität Innsbruck

Den wechselnden Verhältnissen zwischen Sommer und Winter begegnen manche Bewohner des Hochgebirges mit Doppelstrategien: Je nachdem, welche Jahreszeit in den Hochalpen vorherrscht, schaltet ein Bakterium, das 2013 im Tiroler Gossenköllesee erstmals nachgewiesen wurde, zwischen zwei Arten der Nutzung von Licht hin und her, wie ein Forscherteam nun zeigte. Es sei der erste Nachweis einer solch flexiblen Strategie bei einem Bakterium, berichtet die Gruppe um Michal Koblížek von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften mit Tiroler Kollegen im Fachjournal "Pnas".

Der Bakterienstamm mit dem Namen Sphingomonas glacialis AAP5 ist in dem 1,6 Hektar großen, auf 2.416 Meter Seehöhe liegenden Gossenköllesee in den Stubaier Alpen heimisch. Die Universität Innsbruck betreibt dort seit dem Jahr 1975 Forschungen, die auch zur Entdeckung des Bakteriums geführt haben. Die neue Studie offenbarte nun seine erstaunliche Flexibilität. Dabei handelt es sich vermutlich um eine Anpassung an die harschen und wechselvollen Umweltbedingungen in den Hochalpen.

Licht und Dunkelheit

Die Lebensbedingungen des Bakteriums simulierte das Team, dem auch Christopher Bellas und Ruben Sommaruga vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck angehörten, im Labor. Sie züchteten Sphingomonas glacialis AAP5 bei Temperaturen zwischen vier und 25 Grad Celsius und unter verschiedenen Lichtverhältnissen, um mittels genetischer Analysen herauszufinden, welche Methoden zur Nutzung des spärlich oder reichlich vorhandenen Lichts das Bakterium einsetzt.

Derartige lichtsammelnde Bakterien wenden in der Regel nämlich "nur einen der möglichen Mechanismen zur Energiegewinnung aus Sonnenlicht" an, meinte Sommaruga: "Zwar wurden in einigen Bakterienstämmen bereits Gene identifiziert, die zwei Lichtsammelmechanismen enthalten, doch es gab bisher keine Beweise, dass eine Art auch tatsächlich beide nutzt. Bei Sphingomonas glacialis AAP5 konnten wir diesen Beweis jedoch erbringen."

Eine Art Photosynthese

Bei der einen Strategie nützen Bakterien das Licht, um einen Konzentrationsunterschied an Protonen zwischen ihrem Inneren und der Umgebung herzustellen. Das erlaubt ihnen, Energie zu gewinnen. Der zweite bekannte Mechanismus ist mit der Photosynthese bei Pflanzen eng verwandt: Mit Bakteriochlorophyll-a kann das Bakterium langwelliges Licht absorbieren.

Die neuen Untersuchungen zeigen nun, dass das Bakterium aus dem Tiroler See bei niedrigen Temperaturen und wenig Licht auf die Photosynthese setzt. Protonen pumpt es hingegen bei hoher Lichtintensität und etwas höheren Temperaturen.

Ausgeklügelte Anpassung

Da es die verschiedenen Ansätze "unter sehr unterschiedlichen Licht- und Temperaturverhältnissen" an den Tag legt, scheint es sich um eine ausgeklügelte Anpassung an den deutlichen Wechsel der Jahreszeiten im Hochgebirge zu handeln. So kann es die richtige Strategie wählen, wenn es über längere Zeit unter einer Eisdecke überleben muss. (red, APA, 9.12.2022)