Die zwei Ministerinnen Alma Zadić und Susanne Raab und die zwei Minister Gerhard Karner und Johannes Rauch (je von links) zogen beim dritten Gewaltschutzgipfel Bilanz über die vergangenen Monate und kündigten weitere Maßnahmen gegen Gewalt an.

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Wien – Die Brisanz des Themas ist hoch geblieben: Während Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) am Dienstag gemeinsam mit dem Innen-, dem Justiz- und dem Sozialministerium den Gewaltschutzgipfel abhielt, fand am Wiener Straflandesgericht auch ein Prozess wegen eines versuchten Frauenmordes statt. Der inzwischen dritte Gewaltschutzgipfel mit Expertinnen und Experten der verschiedenen Bereiche findet anlässlich der weltweiten Initiative "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" statt und dient dem Austausch über mögliche weitere Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen.

Eine Maßnahme, die kommen soll, kündigte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) bei einer Pressekonferenz zu dem Gipfel an: Eine Studie habe ergeben, dass in Österreich der dringende Bedarf für Gewaltambulanzen bestehe. "Nun geht’s darum, das mit Leben zu erfüllen", sagte Zadić. In Gewaltambulanzen werden Verletzungen nach Gewalt dokumentiert und Spuren gesichert, sodass sie in Gerichtsverfahren als Beweise verwendet werden können.

Nach welchem Konzept diese Ambulanzen aufgebaut werden, werde noch erarbeitet, möglich seien zum Beispiel Partnerkliniken, mobile Teams oder Telemedizin. Wichtig sei eine Erreichbarkeit rund um die Uhr.

Mehr Verurteilungen erwartet

Gewaltambulanzen sollen die aktuell sehr niedrige Verurteilungsrate verdoppeln, sagte Zadić. Aktuell liegt die Verurteilungsrate bei Sexualdelikten bei sieben Prozent, oft stünde bei Anklagen wegen Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauchs Aussage gegen Aussage. Wenn es mehr Beweise gebe, werde sich das ändern, das zeige sich in anderen Ländern.

Außerdem wurden im Justizbereich die Mittel für die kostenlose, psychosoziale Prozessbegleitung aufgestockt, sie seien aber nicht in dem Maße wie erhofft in Anspruch genommen worden. Sie wolle das Instrument noch bekannter machen, sagte Zadić.

Großteil zwischen 30 und 39 Jahre

Zadić nannte auch erste Zahlen aus einer Studie zur Analyse von Femiziden in Österreich der vergangenen Jahre: Demnach seien drei Viertel der Morde an Frauen durch den aktuellen oder ehemaligen Partner verübt worden. Der Großteil der Täter sowie auch der Opfer falle in die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen. Und oft sei eine Trennung bereits vollzogen oder schon ein Thema. Häufige Motive seien Eifersucht und Trennungsangst, und im Vordergrund stehe ein Machtanspruch von Männern gegenüber den Frauen. Daher müsse man bei der Selbstermächtigung der Männer über Frauen ansetzen, sagte Zadić: "Echte Präventionspolitik ist echte Gleichstellungspolitik", sagte die Justizministerin.

Raab fand ähnliche Worte, man brauche die "echte Gleichstellung in allen Lebensbereichen als Prävention", sagte die Frauenministerin. Die Studie zu den Femiziden zeige, wie vielschichtig Gewalt ist, wie viele Faktoren dabei zusammenkommen, sagte Raab. Oft gebe es eine Gewaltgeschichte vorher, Suchterkrankungen, Drogen, auch psychische Erkrankungen spielen eine Rolle sowie die Herkunft des Täters. Männer mit Migrationshintergrund seien im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil deutlich überrepräsentiert, sagte Raab.

Die Frauenministerin berichtete weiters, dass der Ausbau an Unterstützungsangeboten von Frauen massiv vorangeschritten sei: 21.000 Betroffene von Gewalt hätten in Gewaltschutzzentren Platz gefunden. Das Budget sei allein im Frauenbereich verdoppelt worden. "Jede Frau, die Hilfe braucht, bekommt die Hilfe auch", versicherte die Ministerin. Was sich auch gezeigt habe: "Nur die wenigsten der Frauen, die Gewaltopfer geworden sind, hatten vorher Kontakt zu einem Gewaltschutzzentrum oder gar der Polizei."

27 Femizide in diesem Jahr

Heuer habe es bisher 27 weibliche Opfer im Alter von sechs bis 87 Jahren gegeben, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der Gewalt an Frauen als "besonders abscheulich" bezeichnete und festhielt, dass Gewaltschutz auch polizeiliche Arbeit sei: "Entscheidend ist die Vernetzung vieler Partner in dieser Frage."

Bis dato wurden dieses Jahr laut Karner 13.300 Betretungs- bzw. Annäherungsverbote ausgesprochen. Sie sind seit heuer mit einem automatischen Waffenverbot verknüpft. Außerdem hätten fast 170 sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen stattgefunden, die Zahl habe sich verdreifacht. Bei diesen Konferenzen sollen alle beteiligten Institutionen Schutzmaßnahmen für gefährdete Personen besprechen und aufeinander abstimmen. Das in Oberösterreich erprobte Modell, wo systematisch Fallkonferenzen einberufen würden, solle auf weitere Bundesländer ausgerollt werden, kündigte Karner an. Weiters sei die Zahl der Präventionsbeamten bei der Polizei österreichweit von 400 auf 1.400 erhöht worden.

Und mehr als 10.000 Gefährder seien zur Gewaltprävention vorgeladen worden. Sechs Stunden Beratung können dann verpflichtend vorgeschrieben werden. Die Organisationen würden zurückmelden, dass das oft nur ein "starting point" für weiterführende Maßnahmen sei, ergänzte Frauenministerin Raab.

Nachbarschaftsprojekte

Dass das Budget für Gewaltschutz ausgebaut worden sei, zeige ganz deutlich: "Wir nehmen diese Zahlen nicht achselzuckend zur Kenntnis", sagte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne). Ein Teil der Aufgabe seines Ressorts sei die Prävention, dafür habe sein Ministerium die Mittel von vier auf sieben Millionen Euro aufgestockt. Ein Projekt sei zum Beispiel "StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt", wo es darum gehe, Nachbarn dazu zu ermutigen, Zivilcourage zu zeigen und Gewalt zu unterbrechen.

Drucksituationen in Partnerschaft und Familien würden Gewalt fördern, daher habe angewandte Sozialpolitik darauf zu schauen, dass Menschen ihre Grundbedürfnisse, Wohnen, Heizen, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben decken können. Die Bundesregierung kümmere sich um die ökonomische Absicherung von Menschen. Ein Stillstand der Regierung unter Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), der am Dienstag genau ein Jahr im Amt war, sei laut Rauch nichts als "Legendenbildung, wir beweisen wöchentlich das Gegenteil", sagte Rauch. (Gudrun Springer, 6.12.2022)