Leibt seit 2009 im Exil in London: Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi.

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Die neuerdings angekündigte Auflösung der Sittenpolizei im Iran kostet die heute 75-jährige Shirin Ebadi wahrscheinlich einen Lacher. Zu viele scheinheilige Manöver jeweiliger Klein- und Großayatollahs hat die seit 2009 im Exil in London lebende Anwältin und Friedensnobelpreisträgerin verlustvoll erfahren. Und doch muss jedes Anzeichen für die unter Druck geratenen Mullahs wie Balsam wirken.

Ein Ö1-Hörbilder Spezial am 8. Dezember führt entlang von Ebadis Lebensweg die politische Instrumentalisierung des Islam in Iran vor Augen bzw. vor Ohren. Vom Kind, das sich in einer liberalen Familie zunächst gleichwertig mit seinem Bruder wähnte, bis zur erwachsenen Frau, die die Wirkmacht der islamischen Strafgesetze, der Scharia, wonach das Leben einer Frau nur die Hälfte des eines Mannes wert sei, erfährt. Im Alter von 23 Jahren war Ebadi eine der ersten Richterinnen ihres Landes, wurde aber nach der Installation eines regressiven Gottesstaats aus dem Amt entlassen.

Historische Radiobeiträge, etwa über den Schah von Persien, Gespräche mit Ebadi sowie O-Töne von Protagonistinnen ihrer juristisch verantworteten Fälle geben ein plastisches Bild eines steten und bis zum heutigen Tag wenig aussichtsreichen Kampfs für die Achtung von Menschen- und Freiheitsrechten im Iran.

Besonders schockierend sind ausgewählte Gerichtsfälle Ebadis, anhand derer die menschenverachtenden Folgen der Scharia manifest werden (etwa "Blutgeldforderungen"). Man hört hier einer Frau zu, die den pseudoreligiösen Motor des iranischen Regimes decouvriert und die die Scharia offenkundig besser kennt als die sogenannten geistlichen Führer. Und weil sie jeden Spielraum ausnützt, den der Koran lässt, geht sie auch im Exil den Mächtigen im Iran sehr auf die Nerven. (Margarete Affenzeller, 7.12.2022)