Neue Rolle für eine Hausfrau: Elizabeth Banks in "Call Jane".

AP

Das Jane Collective gab es tatsächlich. Von den frühen 1960ern an sorgte eine Gruppe von Frauen in Chicago dafür, dass Frauen mit Abtreibungswunsch geholfen werden konnte. Das war in den USA dieser Zeit illegal, so wie empörenderweise auch jetzt wieder in einzelnen US-Bundesstaaten. Roe v. Wade, die Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht, kam erst 1973 zustande, im Juni dieses Jahres wurde sie bekanntlich aufgehoben.

RoadsideFlix

Diese Umstände haben Phyllis Nagys Regiedebüt Call Jane, das bereits Anfang des Jahres auf dem Sundance Festival Premiere feierte, nun neue Dringlichkeit beschert. Anders als Never Rarely Sometimes Always(2020) von Eliza Hittman, der sich am Erfahrungshorizont des Mädchens orientierte, ist die Tonlage hier offener und – wider die Umstände – vorsichtig optimistisch. Es geht ja auch um ein Stück Selbstbestimmung durch ein feministisches Kollektiv, das zum Ist-Zustand Nein sagt. Jane ist keine Person, Jane sind alle.

Herzkrank? Kein Grund!

Die fiktive Figur, die die Perspektive vorgibt, heißt Joy (Elizabeth Banks). Als Vorzeigehausfrau ist sie bewusst gegen das Schema eines hervorgehobenen "Problemfalls" gesetzt. Soll heißen, Abtreibung betrifft nicht nur sozial Isolierte, wenn die männliche Ärzteschaft selbst eine Herzschwäche als keinen triftigen Grund anerkennt, um eine solche zum Selbstschutz vorzunehmen. Joys Suche nach einer Lösung führt sie zu den Untergrundaktivitäten des Jane-Kollektivs.

Im Milieu der selbstorganisierten Frauen, Bürgerrechtsaktivistinnen, die schon intersektional agieren – auch die schwarze Gwen (Wunmi Mosaku) ist darunter –, wirkt Joy wie eine Anomalie, ihr perfektes Äußeres will nicht so recht zum kämpferischen Rest der Truppe passen. Doch die Leiterin Virginia (Sigourney Weaver) erkennt das Potenzial ihrer Mittelständigkeit und fragt sie, ob sie nicht als unverdächtige Mitarbeiterin anheuern möchte, an die sich betroffene Frauen vertrauensvoll wenden können.

Unentschieden

Nagy hat vor Call Jane vor allem als Drehbuchautorin (Carol) reüssiert. Die erzählerische Engführung auf Joy, deren Spielraum sich analog zu ihrem Bewusstsein für Frauenrechte erweitert, gerät ihr diesmal jedoch etwas zu instruktiv. Trotz des exquisiten Ensembles scheint der Kurs zwischen Thrilleranflügen, politischer Vermittlungsarbeit und der mühevollen, gefährlichen Organisation im Untergrund etwas unentschieden. Call Jane versucht, aktivistischen Pioniergeist als erbauliches Ermutigungsstück zu präsentieren, verzettelt sich dabei aber an zu vielen Fronten. (Dominik Kamalzadeh, 6.12.2022)