Laut Bildungsdirektion sind es Schwierigkeiten bei der Stundenplanerstellung, die in einer Wiener Schule zu religionsspezifischer Klasseneinteilung führen.

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Franz M. (Name der Redaktion bekannt, Anm.) ist der Vater eines bald zehnjährigen Buben. Er sucht nach einer geeigneten Lehranstalt für seinen Sohn, der gerade eine vierte Klasse Volksschule besucht. Im BRG/WMS Seestadt stieß er dabei auf eine Klasseneinteilung, die ihn "fassungslos" macht, wie er sagt.

Konkret, so M. , seien in einer ersten Klasse der am Maria-Trapp-Platz befindlichen Schule "von den 24 oder 25 Schülerinnen und Schülern 14 muslimischen Glaubens, fünf oder sechs evangelisch und der Rest ohne Bekenntnis". Die römisch-katholischen Kinder wiederum seien in weiteren Klassen zusammengefasst.

Es sei unglaublich, dass es hier "zu einer Segregation aufgrund der Religion kommt. Im Jahr 2022. Im sozialdemokratischen Wien", schrieb M. Ende Oktober in einer Mail an den STANDARD. Gleichzeitig wandte er sich an die Bildungsdirektion.

Bildungsdirektion: "Keine gelebte Praxis"

Eine erste Antwort von dort ließ ihn ratlos zurück. Die Frage, welcher Religion ein Kind angehöre, sei für die Klasseneinteilung an Wiener Schulen ohne Relevanz, hieß es da: "Keinesfalls handelt es sich hierbei um gelebte Praxis."

Das ändere nichts daran, dass die Schülerinnen und Schüler im BRG/WMS Seestadt nach Religionen in Klassen aufgeteilt seien, erwiderte M. Doch auch die Antwort auf seinen Einwand löste den Gegensatz zwischen Anspruch und Realverfassung nicht auf: "Am Standort wird auf eine ausgewogene Zusammensetzung der Klassen geachtet, die sowohl den gesetzlichen Vorgaben entspricht, einen schülergerechten Stundenplan ermöglicht als auch einer Segregation von Schülern und Schülerinnen entgegenwirkt", mailte ihm die Bildungsdirektion, die sich dabei auf die zuständige Schulaufsicht bezog.

Quadratur des Stundenplans

Grund der Klasseneinteilung sei vor allem die komplexe Stundenplanerstellung. Hier seien sechs Kriterien zu beachten. Neben einer Durchmischung AHS-reifer und nicht AHS-reifer Kinder sei das etwa ein ausgewogenen Verhältnis zwischen Buben und Mädchen sowie von Kindern verschiedener muttersprachlicher Herkunft. Detto "möglichst wenig Nachmittagsunterricht", viel Zeit für "unverbindliche Übungen" sowie der Anspruch, Klassenverbände aus der Volksschule zu erhalten.

Die Religionslehrenden wiederum seien an mehreren Schulen eingesetzt. Das verringere ihre Flexibilität – und das verunmögliche gemeinsame Klassen für muslimische und katholische Kinder: "Werden die Schüler und Schülerinnen eines Religionsbekenntnisses auf alle Parallelklassen aufgeteilt, ist das stundenplantechnisch nicht umsetzbar."

Religionstrennung auch an anderer Schule

Von einer "strengen Trennung der Religionsbekenntnisse in den Klassen" sei dennoch nicht die Rede. Vielmehr sei das Religionsbekenntnis "eines von mehreren Kriterien, die bei der Klassenbildung eine Rolle spielen".

Franz M. überzeugt diese Argumentation nicht: "Die Trennung nach Religionen macht mit den Kindern etwas", sagt er. Auch andere betroffene Eltern seien skeptisch. Sie wollten, dass ihr Nachwuchs so pluralistisch und weltoffen wie möglich unterrichtet werde. Darüber hinaus sei die Religionsklassenpraxis nicht auf das BRG/WMS in der Maria-Trapp-Gasse beschränkt. Auch an einer Volksschule der näheren Umgebung werde das so praktiziert.

Bildungsdirektion: "Nicht diskriminierend"

Mittwochmittag reagierte die Bildungsdirektion mit einer aktuellen Stellungnahme auf den Artikel: "Natürlich sind hinsichtlich der unterschiedlichen Glaubensbekenntnisse durchmischte Klassen wünschenswert", heißt es darin. Die Einteilung der Klassen obliege im Rahmen der Schulautonomie den Schulleitungen, die darum bemüht seien, die organisatorischen Herausforderungen zu berücksichtigen.

Klar sei jedenfalls, "dass es nicht zu Diskriminierung oder Schlechterstellung aufgrund eines Glaubensbekenntnisses kommen darf. Die Zusammensetzung der Klassen richtet sich nach dem jeweiligen Einzugsgebiet der Schule." Im angesprochenen Fall sei die Klassenzusammensetzung bereits von der Bildungsdirektion überprüft und als "nachvollziehbar und nicht diskriminierend" befunden worden. (Irene Brickner, 7.12.2022)