Ohne Schneekanonen und aufwendige technische Beschneiungskonzepte geht vielerorts nichts mehr. Energie- und Wasseraufwand werden künftig stark steigen.
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Die gute Nachricht zuerst: "Wintertourismus wird Ende des Jahrhunderts noch möglich sein", sagt Marc Olefs von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), einer Forschungsstelle des Wissenschaftsministeriums. Dieser werde aber in stark veränderter Form stattfinden. Olefs prognostiziert höhere Kosten und eine Beschränkung auf günstige Lagen. Auch der Wasser- und der Energieaufwand werden steigen.

Ob die Gäste das Skifahren auf Pistenstreifen ohne winterlich verschneite Umgebung akzeptieren, bleibt offen. Noch ist beeinflussbar, wie weiß die Berge künftig sein werden. Olefs: "Wie dramatisch die Folgen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts aussehen, hängt von den klimapolitischen Entscheidungen der nächsten wenigen Jahre und Jahrzehnte ab."

Universität für Bodenkultur Wien

In der Podiumsdiskussion Klimawandel & Tourismus:Ist ein CO2-freier Winterurlaub möglich?, die in der Vorwoche an der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) stattfand, zeichnet der ZAMG-Forscher die klimatischen Rahmenbedingungen für die künftige Entwicklung des Skitourismus. Der Handlungsbedarf ist angesichts der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Wintergästen enorm.

Anlass der Debatte ist das Erscheinen des frei zugänglichen Buchs Tourismus und Klimawandel, in dem 40 Wissenschaftstreibende ihre Erkenntnisse beisteuern. Neben Olef ist auch Ulrike Pröbstl-Haider vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholung- und Naturschutzplanung der Boku, die ebenfalls Teil des Podiums ist, eine der Herausgeberinnen. Moderiert wurde die Veranstaltung von der stellvertretenden STANDARD-Chefredakteurin Petra Stuiber.

Transformationswissen

Woran es hauptsächlich fehlt, nimmt Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt vorweg. Er rechnet Energiewende-Szenarien für verschiedene Branchen durch: "Wir besitzen hohes System- und Zielwissen. Das Transformationswissen fehlt uns aber ein Stück weit." Wir wissen also, wo wir hinmüssen, aber nicht, wie wir dort hinkommen. Eine aktuelle Studie für das Lebensministerium besagt etwa, dass ungefähr ein Prozent des Stroms in Österreich in den Wintertourismus fließt.

Für Lichtblau ist das "relativ viel" und vergleichbar mit dem Bedarf des gesamten Rewe-Handelskonzerns in Österreich. Dennoch: Im Vergleich mit dem CO2-Fußabdruck anderer Urlaubsvarianten schneide der Skitourismus in Österreich nicht so schlecht ab – vergleichbar ist etwa ein Badeurlaub per Auto in Italien. Grund für die relativ niedrigen Emissionswerte: die Stromproduktion, die hierzulande wesentlich aus Wasserkraft erfolgt.

"Eine einmal eingetretene Reduktion der Schneemenge ist aus jetziger Sicht für immer", so Marc Olefs von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).
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Ein naheliegendes Einsparpotenzial liegt vor allem in der Frage, wie man den Urlaubsort erreicht. "Die Anreise sollte stärker in den Mittelpunkt touristischer Diskussionen gerückt werden", sagt Boku-Forscherin Pröbstl-Haider. "Wir leisten schon einen Beitrag, wenn wir nicht fliegen, sondern mit der Bahn zum Skiort reisen." Im Skigebiet Snow Space Salzburg in St. Johann, Wagrain und Flachau nimmt man diesen Gedanken ernst.

Geschäftsführer Wolfgang Hettegger verweist auf Elektrobusse, die ab heuer dort die Skitouristen von Bahnhöfen und Hotels abholen. Es gebe gemeinsame Werbeaktionen mit der ÖBB, die zur Zuganreise überreden sollen, und Überlegungen zu Solar-, Windkraft- und Wasserstoffausbau. Für Hettegger ist es wichtig, endlich zur Tat zu schreiten: "Wir packen es an. Wir probieren es." Das Umdenken der Gäste würde dann folgen.

Klein und flexibel

"Überleben werden jene Skigebiete, die jetzt darauf schauen, wie weit sie mit dem Energieverbrauch runterkommen", unterstreicht Umweltbundesamt-Forscher Lichtblau diese Strategie. Nur wer einen hohen Anteil an erneuerbarer Energie aufbaut, werde künftig leistbare Preise bieten können. Die hierzulande klein strukturierte Tourismuslandschaft biete beim Erproben nachhaltiger Strategien durchaus Vorteile, sagt Pröbstl-Haider.

Im Vergleich zu den großen Skigebieten in Nordamerika oder Frankreich und den Hotelketten dort könnten sich heimische Hoteliers und Tourismusorganisationen schneller bewegen. Trotz der Bestrebungen quasi von unten dürfe sich die Politik aber nicht zurückziehen. "Hier fehlt es weiterhin an Unterstützung", kritisiert Pröbstl-Haider.

Deal mit der Natur

Wintersporttrends, die auf den Liftaufstieg verzichten und dafür ein Erleben unberührter Landschaften ermöglichen, sieht die Boku-Forscherin übrigens kritisch. Skitouren, Schneeschuhwandern oder "Mikroabenteuer" abseits der Skigebiete haben störende Einflüsse. "Der Deal mit der Natur ist: Auf der Piste gibt es Rambazamba, dafür muss es andere Bereiche geben, die beruhigt sind", erklärt Pröbstl-Haider. Laut Untersuchungen stört eine Skitour im Vergleich zu einem Pistenskitag im Schnitt die 60-fache Naturfläche.

Wie sich die Winterskigebiete dem Klimawandel stellen werden, ist derzeit kaum abzusehen. Wie wichtig ein schnelles gemeinsames Agieren zur CO2-Reduktion ist, geht aus einer nüchternen Bemerkung Olefs hervor: "Eines ist sicher: Eine einmal eingetretene Reduktion der Schneemenge ist aus jetziger Sicht für immer." Gehen die Schneefälle zurück, kehren sie auf absehbare Zeit nicht mehr zurück. (Alois Pumhösel, 8.12.2022)