Gerhard Milletich wackelt. Die Kritik an seiner Amtsführung wächst und wächst.

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Selbstverständlich wird Josef Geisler am späten Vormittag des 8. Dezember in Wien zur ÖFB-Präsidiumssitzung in einem schmucken Hotel im Prater erscheinen. Er ist erstens Jurist und zweitens Chef des Tiroler Fußballverbands. Geisler wird dem 66-jährigen Gerhard Milletich zuhören, ihm Fragen stellen. In Erwartung zufriedenstellender Antworten. Sein oberösterreichischer Amtskollege Gerhard Götschhofer, ebenfalls Jurist, fordert das auch. "Es geht um die Klärung der Vorwürfe. Es liegt an ihm, ich bin ergebnisoffen", sagt er dem STANDARD. Da aller Juristen drei sind, kommt auch Herbert Hübel, der Salzburger Verbandschef, angereist. Das Trio hatte im Oktober 2021 den Burgenländer Milletich übrigens nicht zum Präsidenten gewählt, es wurde aber überstimmt. In einer Demokratie werden Ergebnisse speziell von Juristen natürlich akzeptiert. Geisler sagt dem STANDARD: "Ich halte Milletich nach wie vor für völlig ungeeignet. Ein Präsident muss repräsentieren, das kann er nicht."

Die Vorgeschichte: Ende Oktober berichtete das Nachrichtemangazin News in einer Titelgeschichte über die Geschäfte des Großverlegers Milletich (Bohmann-Verlag), der Kurier zog nach. Der Hauptvorwurf: Milletich soll im Zuge der Vorstellungsrunden mit Sponsoren des ÖFB um Einschaltungen in seinen eigenen Magazinen geworben beziehungsweise ersucht haben. Strafrechtlich ist das nicht wirklich relevant, die Unternehmen wurden dazu ja nicht genötigt. Also muss der Satz "Es gilt die Unschuldsvermutung" nicht strapaziert werden. Moralisch und optisch wäre es ein Totalschaden, es ist schon einer. Von wegen Compliance.

Rechtfertigung

Milletich rechtfertigte sich so: Er habe bereits vor seiner Präsidentschaft Kontakte zu und wirtschaftliche Beziehungen mit den Sponsoren gepflegt. Er kündigte Klagen gegen die Zeitungen an, von wegen Rufschädigung. Allerdings folgten bisher keine Taten. Dem Kurier wurde irgendwann eine Gegendarstellung geschickt, die nie veröffentlicht wurde. Es wurde nicht nachgewassert, Götschhofer ist irritiert. "Es hat ihn ja keiner gezwungen zu klagen. Er selbst hat rechtliche Schritte angekündigt, passiert ist offenbar nichts." Milletich ist seit Wochen telefonisch für Journalisten nicht erreichbar.

Er wird der SPÖ zugeordnet, Milletich macht gute Geschäfte mit der Stadt Wien und dem Land Burgenland, das fließen die Inserate und die Millionen. Der Fußballbund gilt eher als schwarz (türkis), also ÖVP-nahe. Geisler, sicher kein Roter, sagt: "Der Fall hat nichts mit Politik zu tun. Ein ehrenamtlicher Präsident muss sich anständig verhalten. Ich sehe eine rote Linie überschritten. Sollte uns Milletich nicht die Wahrheit gesagt haben, ist er untragbar."

Es gibt mehrere Szenarien: Milletich klärt am Donnerstag die Vorwürfe auf, legt quasi stichhaltige und lückenlose Beweise für seine Redlichkeit vor. Dann wäre die Welt des ÖFB zwar noch immer nicht in Ordnung, aber sie ginge weiter und nicht unter. Zweites Szenario: Milletich erträgt das Misstrauen der Präsidiumskollegen nicht, nimmt den Hut. Das wäre fast eine Sensation. Drittes Szenario: Die Landespräsidenten einigen sich auf eine Neuwahl im Frühling, bis dahin gäbe es eine interimistische Lösung. Viertes Szenario: Milletich lässt zwar einige Fragen offen, bleibt aber trotzdem im Amt, die Zeit wird schon Wunden heilen. Das wäre nicht untypisch für Österreich. Auf der Habenseite des Präsidenten steht immerhin die Verpflichtung von Teamchef Ralf Rangnick, die war ein überraschender und gelungener Coup.

Baustellen

Der ÖFB hat mehrere Baustellen. Die beiden Geschäftsführer Bernhard Neuhold (Wirtschaftsbetriebe GmbH) und Thomas Hollerer (geschäftsführender Generalsekretär) sind kein Herz und keine Seele. Normalerweise erzeugt Reibung Energie, in diesem Fall wurde die physikalische Gesetzmäßigkeit außer Kraft gesetzt. Das Klima hat sich gewandelt. Hollerer gilt als Milletich-Intimus. Beim geplanten Trainingszentrum in Wien-Aspern sind fundamentale Fragen noch offen.

Milletich gilt als stur, von vielen Seiten wird ihm Kommunikationsfähigkeit abgesprochen. Vor allem zu jenen, die ihn nicht gewählt haben, pflegt er kaum Kontakt. Götschhofer: "Ich habe zuletzt am 4. November von ihm gehört." Geisler: "Außerhalb der offiziellen Sitzungen habe ich noch nie von ihn gehört. Dabei bin ich sein Vize." Es werden generell Überlegungen angestellt, das Anforderungsprofil eines österreichischen Fußballpräsidenten zu schärfen, zu verändern. Milletich ist vermutlich dagegen. Nicht nur Geisler ("Ich selbst bin am Präsidentenamt absolut desinteressiert") schwebt eine externe Lösung vor. "Er oder sie soll von außen kommen, eine integre Persönlichkeit sein und zum Beispiel auch Englisch sprechen können."

Im eigenen Saft

Milletich stammt wie sein unmittelbarer Vorgänger Leo Windtner aus dem internen Landespräsidentenkreis, man schmorte im eigenen Saft. Davor amtierten Friedrich Stickler und Beppo Mauhart, zwei Außenstehende, also keine Betriebsblinden. Götschhofer sagt: "Gut sollte ein Präsident sein, egal woher er kommt."

Es ist also Showdown. Ausgang offen. (Christian Hackl, 7.12.2022)