Binance hat in Österreich eine Registrierung als Virtual Asset Service Provider beantragt.

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Die größte Kryptobörse der Welt schlägt auch in Österreich ihre Zelte auf. Genauer gesagt hat Binance schon im Sommer dieses Jahres begonnen, einen Standort in Wien aufzubauen und bei der Finanzmarktaufsicht eine Registrierung als Virtual Asset Service Provider beantragt. Wird 2023 grünes Licht gegeben, so hofft Binance, könne man mit dem operativen Geschäft loslegen.

DER STANDARD hat sich mit Managing Director Raphael Zakarias unterhalten, welche Bedeutung der Standort für Binance hat, was die lokale Präsenz für Kundinnen und Kunden bedeutet und warum Black-Swan-Events wie der FTX-Crash notwendig sind.

Country-Manager Raphael Zakarias verriet dem STANDARD, wie sich Binance auf den Marktstart in Österreich vorbereitet.
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STANDARD: Was veranlasst die größte Kryptobörse der Welt, sich auch in Österreich niederzulassen?

Zakarias: Regulatorik ist ein wesentlicher Bestandteil in der Binance-Strategie. Wir haben uns nicht nur auf die Fahnen geschrieben, den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden, sondern diese überzuerfüllen. Daher ist es für uns auch selbstverständlich, in lokalen Jurisdiktionen mit entsprechenden Regulatoren in Austausch zu treten und sich dort dann auch aktiv um eine Registrierung zu bewerben.

STANDARD: Wie ist das Netzwerk von Binance in Europa konzipiert?

Zakarias: Wir haben kein klares Headquarter, wir nennen es Hub. Und dieser Hub ist aktuell in Paris. Hier in Österreich bauen wir unser Team auf und stehen in engem Austausch mit den Regulatoren. Jede Jurisdiktion erfordert auch eine eigene Strategie, einen Top-down-Ansatz verfolgen wir nicht. Es liegt vielmehr am lokalen Team, die länderspezifischen Anforderungen umzusetzen.

STANDARD: Bereits im Mai gab es erste Meldungen zu einer Österreich-Tochter von Binance – was hat sich in der Zwischenzeit getan?

Zakarias: In der Kryptoindustrie ist sehr viel in Bewegung, am Markt passiert in einem Monat mehr als auf anderen Märkten in einem Jahr. Neben der Etablierung und Gründung der lokalen Entität, der Binance Österreich Austria GmbH, haben wir unmittelbar den Antrag bei der FMA gestellt und sind mit dem Regulator in intensivem Austausch.

STANDARD: Wann rechnen Sie realistischerweise mit der Zusage der FMA? Welche Vorarbeit ist darüber hinaus noch zu leisten, um operativ tätig sein zu können?

Zakarias: Die Registrierung und die Schaffung der hiesigen Voraussetzungen, um aus Compliance-Sicht "operational ready" zu sein, ist sehr komplex, wie man sich vorstellen kann. Hier sind wir schon sehr weit. Grundsätzlich muss man aber unterscheiden zwischen dem Erhalten und dem Behalten einer Registrierung. Die Registrierung zu behalten ist die nächste Herausforderung, und hier legen wir derzeit alle Weichen, da die Binance Österreich ja operativ noch nicht tätig ist. Wir bereiten diesen "Excellent Standard" dahingehend vor, so dass wir direkt loslegen können, wenn wir das Go der FMA bekommen. Dann können wir die User auch auf diese Binance-Austria-Entität migrieren, womit österreichische User eine direkte Vertragsbeziehung mit der lokalen Entität Binance Österreich hätten. Wir werden natürlich umgehend kommunizieren, sobald dies der Fall ist, aber einen Zeithorizont vorherzusagen wäre momentan unseriös.

STANDARD: Hat der Kryptowinter die Aufbauarbeit bislang erschwert?

Zakarias: Nicht nur der Kryptowinter. Auch gewisse Ereignisse, die immer wieder passieren. Ganz klar sehen wir, dass gute Projekte sichtbar werden und schlechte nicht mehr auftauchen. Der Bärenmarkt, in dem wir uns befinden, ist typischerweise die Zeit des Bauens und Kreierens, und Binance ist da ganz stark dran, nicht nur Prozesse zu optimieren, sondern auch das Produkt. Binance ist ja nicht nur ein Exchange, sondern auch der weltweit größte Blockchain-Infrastruktur-Provider. Wir bezeichnen und sehen uns als Ökosystem, weil wir von Binance Pay bis Binance Card und NFT Marketplaces ja noch weitaus mehr als nur eine Börse sind.

STANDARD: Was verändert der Standort für bestehende Binance-Kundinnen und -Kunden in Österreich?

Zakarias: Sämtliche unserer User, die aktuell in Österreich residieren und den KYC-Prozess durchlaufen haben, werden auf die Binance-Entität migriert, sobald die Registrierung abgeschlossen ist. Hiermit wird die Vertragsbeziehung direkt mit Binance Austria stattfinden. Das bietet einen weitaus besseren Sicherheitsrahmen, da er lokale Anforderungen erfüllen und hiesige Gesetze beachten muss. Darüber hinaus bauen wir weitere Ressourcen für den deutschsprachigen Customer-Support auf und werden aktives Marketing betreiben. Auch werden wir Usern ein besseres Ausbildungsangebot im Bereich Investment und Anlageklassen bieten können.

STANDARD: Die Begriffe Kryptobörse und Österreich verbindet man derzeit eigentlich automatisch mit Bitpanda – wollen Sie das ändern?

Zakarias: Die Industrie, in der wir uns befinden, ist relativ neu. Jede Börse muss in die Verpflichtung genommen werden und ihren Beitrag leisten. Natürlich ist Bitpanda ein Mitbewerber, aber jede Exchange und jeder Blockchain-Provider hat andere Prioritäten. Binance Österreich und Binance Global ist es wichtig, als vollumfänglicher Blockchain-Infrastruktur-Provider zu agieren. Wir sind kein reiner Exchange, wir haben wesentlich mehr zu bieten, daher sehen wir uns nicht als Konkurrenz zu Bitpanda. Wir sehen uns mehr in der Rolle als Gatekeeper.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die geplante Krypto-Verordnung Mica in ihrer gegenwärtigen Ausformulierung?

Zakarias: Grundsätzlich kann ich das nur begrüßen. 27 EU-Mitgliedstaaten bringen aktuell eine gewisse Komplexität und Fragmentierung mit sich, was die Regulierung betrifft. Mica wird eine gewisse Harmonisierung dieser Ausgangssituation schaffen, von einer länderübergreifenden Instanz aus wird ein Safe Guard für die User bereitgestellt, was natürlich auch Vorteile für die Marktteilnehmer bedeutet.

STANDARD: Wo sehen Sie die größte Herausforderung bei der Regulierung des Kryptomarktes?

Zakarias: Wir befinden uns in einer sehr schnelllebigen Industrie, und die Regulierung ist meistens einen Schritt hinterher, das ist per definitionem so. Ich sehe die größte Herausforderung also insbesondere darin, die Lücken der Regulierung zur aktuellen Marktlage so klein wie möglich zu halten.

STANDARD: In den letzten Tagen war davon zu lesen, dass Binance einen Krypto-Hilfsfonds auf die Beine stellen möchte: Muss sich der Markt in Zukunft zu einem gewissen Grad auch selbst helfen können?

Zakarias: Um auf Mica zurückzukommen, ist die "Custody Liability" ein wesentlicher Punkt der Verordnung. Und neben den "Proof of Reserves" ist Binance ja nochmals einen Schritt weitergegangen und hat bereits 2018 einen sogenannten Secure Asset Fund for Users gegründet. Dort wurden zehn Prozent der Fees, die generiert wurden, in diesen Fonds eingezahlt. Mittlerweile übersteigt der Fonds eine Milliarde US-Dollar und somit auch die aktuellen User-Assets. Die Priorität Nummer eins bei Binance ist die sichere Verwahrung der User-Assets, aber auch, diese im Falle von Hacks sicherzustellen. Das ist der Vorteil einer zentralen Kryptobörse im Vergleich zu einer denzentralen.

STANDARD: Wie kann der Kryptomarkt nach zwei Black-Swan-Events das Vertrauen von Kundinnen und Kunden wieder zurückgewinnen?

Zakarias: Black-Swan-Events haben negative wie positive Effekte, in dem konkreten FTX-Fall schadet das aber natürlich der gesamten Industrie, und dieses Vertrauen gilt es wiederherzustellen. Die jüngsten Entwicklungen waren schmerzhaft, aber langfristig gesehen räumt das den Markt auf. Wenn wir in zehn Jahren noch von Krypto reden wollen, dann sind solche Vorfälle für alle Marktteilnehmer notwendig, um dazuzulernen. Binance nimmt sich ganz klar in die Pflicht, nachhaltig zu agieren und das Vertrauen in den Markt wiederherzustellen. Wir bemühen uns, unsere User über unsere Binance Academy auszubilden, um sie auch auf solche Events besser vorbereiten zu können. Education ist Binance extrem wichtig, damit die User verstehen, in was sie investieren und was sie tun.

STANDARD: Geben Sie uns einen Ausblick: Wenn alles nach Ihren Plänen läuft – wo steht Binance Österreich in einem Jahr?

Zakarias: Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr unsere Registrierung als Virtual Asset Service Provider erhalten, damit wir noch mehr Fokus auf Education legen und die User besser betreuen können. Und damit wir noch mehr einen Übergang sehen von klassischen Investmentklassen hin zu einer Existenzberechtigung von Krypto-Assets in jedem Portfolio. Natürlich wollen wir am Markt auch sichtbarer werden und unsere Stärke als vollumfänglicher Blockchain-Infrastruktur-Provider ausspielen. Vom Kleinanleger bis hin zu Corporates mit Banken soll jeder sein Produkt finden, dieses Bewusstsein muss in Österreich einfach geschaffen werden. Langfristig wird die Situation durch den Anlegerschutz auch verbessert. (Benjamin Brandtner, 09.12.2022)