"Ein panisches Gebundensein an etwas, das einen verfolgt", so deutet Robnik das Rückspiegelmotiv bei Spielbergs "Duel"

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Als "außerparlamentarischen Cinephilen" bezeichnet Ex-Filmmuseumschef Alexander Horwath den selbstbetitelten Gelegenheitskritiker, Theoriedienstleister, Essayisten oder Edutainer Drehli Robnik im Vorwort zur eben erschienenen Textsammlung Ansichten und Absichten. Texte über populäres Kino und Politik. Darin enthalten sind fünfundzwanzig Texte des unangepassten Wiener Theoretikers aus drei Jahrzehnten des Nachdenkens über Film, Politik und Geschichte. Dass dies alles oft mit Schreckensszenarien verbunden ist, merkt man seiner Vorliebe für Horrorfilme an.

Der alltägliche Horror

Es ist aber der alltägliche Horror, der Robnik besonders interessiert und der mit politischen Schrecken verstrickt ist. Da liegt es nahe, dass er im ebenso unangepassten Filmkritiker der Weimarer Republik und späterem Film- und Geschichtsphilosophen Siegfried Kracauer einen Verbündeten gefunden hat. Denn der widmete sich in vielen seiner Texte der Wirklichkeit in ihrer Schön- und auch Schrecklichkeit. Beides mache Film, so Kracauer in einer Passage der Theorie des Films, sichtbar und rücke damit das ans Licht, was man im Dickicht des Alltags nicht bemerke.

Robniks Essays in Ansichten und Absichten sind verspielte und spitzfindige Erkundungen verschiedenster Filme des populären Kinos von David Cronenberg bis zu Ulrich Seidl. Es geht allen Texten um ein "Dechiffrieren von Filmen auf Gewalttexturen hin". Denn Film, sei zwar eine Ansicht, habe aber auch eine politische Absicht. Diese ist nicht offensichtlich, sondern an den Rändern, in den Texturen, im Material zu finden.

Ist Film politisch, oder nicht?

Die das Buch begleitende Filmschau im Österreichischen Filmmuseum weicht im Untertitel vom Essayband ab. Dort heißt es: "Film ist eigentlich nicht politisch." Was denn nun – ist er es oder nicht? "Film lässt sich nicht von vornherein auf eine bestimmte Politik festlegen", sagt Robnik mit Kracauer. Doch gerade deshalb steht Film immer verschiedenen politischen Sinngebungen offen.

Drehli Robnik (*1967) schreibt seit den 1990ern zu Film, Geschichte und Politik.
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Filmschau im ÖFM: Dokumentation und Propaganda

Ein Abend der Schau widmet sich dem österreichischen Dokumentarfilm. Bei Kurz davor ist es passiert von Anja Salomonowitz und Gangster Girls von Tina Leisch habe man es mit Ansichten und Äußerungen zu marginalisierten Menschen zu tun. Doch in beiden Fällen passen die Stimme nicht zu den Körpern der Porträtierten: "Die Maskierung (bei Leisch) und das Anstelle-von-Sprechen (bei Salomonwitz) ergibt eine eigenartige Dissonanz im Spiel von An- und Abwesenheit, was wiederum auf die prekäre Existenz dieser Menschen verweist", so Robnik über die Kombination.

Ein anderer österreichischer Dokumentarfilm, Gerhard Friedls Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikt begangen, wird mit Frank Capras und Anatole Litvaks US-Kriegsmobilisationsfilm Why We Fight gepaart: Wo der eine ein Gefühl für die Masseninszenierung und den Führerkult des Faschismus zeige und die (US-)Demokratie verteidige, erzähle der Amerongen-Film "eine bundesdeutsche und österreichische Aufstiegsgeschichte von Wirtschaftsführern, die er mit seltsamen Details und Ticks kombiniert und zum Krimi umdeutet. Denn der Aufbau dieser Wirtschaftsimperien liegt teils im Nationalsozialismus."

Der Rückspiegel bei Spielberg

Und schließlich gibt es Steven Spielbergs Erstling Duel zu sehen. Spielbergs Filme haben, wie alle der genannten Filme, in dem Essayband einen festen Platz. Duel führt ein zentrales Schlüsselmotiv Spielbergs ein, den Rückspiegel als filmisches Objekt. "Spielberg klinkt sich in die Tradition des US-amerikanischen Genrekinos ein, in das Kino der Bewegung, das rasant und actionreich nach vorne führt. Und gleichzeitig zeigt der Rückspiegel eine gegenläufige, reflexive Tendenz an: ein panisches Gebundensein an etwas, das einen verfolgt", so Robniks Deutung.

Damit schließt sich der Kreis bei der Geschichte, die verfolgt und nachwirkt. Sie ist "eine Zeitform von Politik, weil Geschichte uns die Wirklichkeit zeigt als geprägt von Kontingenz, nicht als Zufall, sondern als Verwiesenheit auf andere, auch im Konflikt." Und eben hierin, so könnte man vorsichtig sagen, ruht die Verbindung zwischen Drehli Robniks Film-Politik-Verständnis, das in dem Band und der Filmschau anschaulich zutage tritt: im konflikthaften Miteinander, das immer schon von Geschichte durchdrungen ist und im Film zum Ausdruck kommt. (Valerie Dirk, 8.12.2022)