Badri Hosseini Khamenei kritisiert einmal mehr ihren Bruder.

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In einem offenen Brief hat die Schwester des iranischen geistlichen Führers Ali Khamenei ihren Bruder scharf kritisiert und die Proteste gegen das Regime in Teheran unterstützt. "Mein Bruder hört nicht auf die Stimmen des Volkes und hält fälschlicherweise die Stimmen seiner Söldner und geldgierigen Untergebenen für jene des Volkes", schreibt Badri Hosseini Khamenei.

Farideh Moradkhani ist die Nichte des obersten iranischen Führers Ayatollah Khamenei und hat nichts Gutes über das Regime ihres Onkels zu sagen. Wegen ihrer scharfen Kritik wurde die Aktivistin verhaftet
DER STANDARD

Zu Beginn ihres Briefes, den ihr Sohn auf Twitter veröffentlicht hat, geht sie auf ihre Tochter Farideh Moradkhani ein, die Ende November wegen Kritik an Teheran festgenommen wurde. "Ein Kind zu verlieren, nicht bei ihm sein zu können sorgt für große Trauer bei jeder Mutter", schreibt Badri Hosseini Khamenei und drückt allen anderen Müttern ihr Beileid aus, die in den vergangenen 40 Jahren unter den Verbrechen des iranischen Regimes leiden mussten.

Widerstand gegen das "kriminelle System"

Sie beschreibt, wie ihre Familie bald nach der Revolution im Jahr 1979 gegen dieses "kriminelle System" Widerstand geleistet habe. Ihr Mann Ali Tehrani sei deshalb zweimal festgenommen worden und musste in hohem Alter zehn Jahre im Gefängnis verbringen. Mitte Oktober starb er im Alter von 96 Jahren.

Auch ihre Tochter Farideh Moradkhani sei bereits früher wegen ihrer Menschenrechtsaktivitäten mehrmals in Haft gewesen, schreibt Badri Hosseini Khamenei. Als ihre Pflicht sah sie an, mit ihrem Bruder darüber zu reden, was das Volk dachte, "doch er hörte nicht auf mich und ließ weiter unschuldige Menschen unterdrücken und umbringen". Deshalb habe sie den Kontakt zu ihm abgebrochen. Mitte der 1980er-Jahre flüchtete sie mit ihrer Familie in den Irak. Mittlerweile lebt sie wieder im Iran.

Aufruf zur Waffenniederlegung

Angesichts der aktuellen Proteste hofft sie auf einen "Sieg des Volkes und einen Sturz der iranischen Tyrannei". Die iranischen Revolutionsgarde und die Söldner ihres Bruders fordert sie auf, die Waffen niederzulegen und sich dem Volk anzuschließen, bevor es zu spät sei.

In dem offenen Brief entschuldigt sie sich dafür, dass sie wegen einiger Gebrechen nicht an den Protesten teilnehmen könne. "Aber ich bin mit Herz und Seele beim Volk."

Sicherheitskräfte gehen gegen Studierende vor

In Teheran sind am Mittwoch Sicherheitskräfte erneut mit Gewalt gegen Studierende vorgegangen. Bei Protesten einige Menschen verletzt und weitere festgenommen, wie Augenzeugen von der Amirkabir-Universität für Technologie berichteten. Videos in den sozialen Medien zeigten Proteste auch in anderen Teilen der Hauptstadt. Polizei, Milizen und Sicherheitskräfte waren mit einem massiven Aufgebot auf den Straßen.

Fast drei Monate nach Beginn der Protestbewegung im Iran hatten Studierende am Mittwoch erneut landesweit demonstriert und ihre Vorlesungen boykottiert. "Habt Angst, habt Angst, wir sind alle zusammen", riefen sie, wie aus einem Video des Onlinekanals 1500tasvir hervorging. Gleichzeitig wurden viele Geschäfte den dritten Tag in Folge bestreikt.

Studierende im ganzen Land unterstützen die Proteste. Jugendgruppen hatten zu Demonstrationen am jährlichen "Tages des Studenten" am 7. Dezember aufgerufen, der an drei im Jahr 1953 von Sicherheitskräften des Schahs getötete Studenten erinnert. Die Protestierenden sollten den Mittwoch in einen "Tag des Terrors für den Staat" verwandeln.

Videomaterial des Senders BBC Persian schien Studierende beim Protest gegen die Anwesenheit des ultrakonservativen iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi zu zeigen – bevor sie von Sicherheitskräften zurückgedrängt wurden. Der Staatschef besuchte am Mittwoch die Universität von Teheran. Dort dankte Raisi Studenten dafür, eine Ausbreitung von "Unruhen" an den Universitäten verhindert zu haben. "Diejenigen, die unsere Angehörigen auf brutale und ungerechte Weise töten, sind Unruhestifter", sagte Raisi. "Unser Volk und die Studenten verstehen den Unterschied zwischen Protesten und Unruhen." (ksh, APA, 7.12.2022)