Herbert Kickl (rechts) sagt es der Regierung in seiner deftigen Art hinein – und macht seine Freiheitlichen derzeit zum Umfragesieger.

Foto: Heribert Corn

Linz – Würde schon jetzt – und nicht erst regulär im Herbst des Jahres 2024 – ein neuer Nationalrat gewählt, dann würde die FPÖ knapp vor der SPÖ stärkste Partei, und das mit deutlichem Abstand zur ÖVP. Das geht aus der Hochschätzung des Linzer Market-Instituts aus der diese Woche durchgeführten Umfrage für den STANDARD (n=804) hervor.

Die Kanzlerpartei ÖVP kommt demnach nur noch auf 21 Prozent – ein tiefer Fall gegenüber den unter Ex-Parteichef und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz im Wahljahr 2019 erreichten 37,5 Prozent. In der – theoretischen – Kanzlerfrage kommt Bundeskanzler Karl Nehammer auf 20 Prozent, und das, obwohl kaum jemand annimmt, dass es ein anderer ÖVP-Spitzenpolitiker besser machen würde.

Die Rolle der Kandidaten

DER STANDARD ließ für alle Parlamentsparteien erheben: "Welche Personen wären Ihrer Meinung nach am besten in der Lage, eine erfolgreiche Arbeit für die jeweilige Partei zu leisten und sie als Spitzenkandidat bzw. Spitzenkandidatin in die nächste Nationalratswahl zu führen?" Nehammer wurde von 20 Prozent genannt, Arbeitsminister Martin Kocher von acht, Karoline Edtstadler und Magnus Brunner von jeweils fünf, Johanna Mikl-Leitner von vier und Thomas Stelzer von drei Prozent. Ex-Kanzler Kurz wird auch nur noch von fünf Prozent eine erfolgreiche Führung der ÖVP zugetraut. "Positiv für Nehammer ist, dass die erklärten ÖVP-Anhänger mit großer Geschlossenheit hinter ihm stehen", sagt Market-Wahlforscher David Pfarrhofer.

Bei der SPÖ ließe sich das nicht sagen. Hochgerechnet würden die Sozialdemokraten auf 27 Prozent kommen, in der theoretischen Kanzlerfrage liegt Pamela Rendi-Wagner mit 18 Prozent nur knapp hinter dem Amtsinhaber Nehammer. Allerdings ist die Parteichefin nicht unumstritten: Auf die Frage, welche Person die SPÖ in die nächste Wahl führen sollte, wird Rendi-Wagner nur von 14 Prozent genannt, ihr Vorgänger Christian Kern von zehn Prozent, Hans Peter Doskozil dagegen von 31 Prozent. Innerhalb der erklärten SPÖ-Wählerschaft liegen Rendi-Wagner und Doskozil etwa gleichauf – der Burgenländer punktet allerdings bei Anhängern der ÖVP und der FPÖ besser als in der eigenen Parteiwählerschaft.

Ob das reichen könnte, diese Personen letztlich auch zu einer Stimme für die Sozialdemokratie zu bewegen, muss allerdings Spekulation bleiben – auf Nachfrage geben allerdings viele Personen an, mit dem gewünschten Spitzenkandidaten die SPÖ wählen zu wollen. In Zahlen sind das 27 Prozent, deutlich mehr, als die SPÖ in den Rohdaten der Sonntagsfrage erreicht.

Umfragesieger ist derzeit die FPÖ: 29 Prozent in der Hochrechnung (13 Prozentpunkte mehr als bei der Wahl 2019), 16 Prozent für Herbert Kickl in der Kanzlerfrage, und das, obwohl es verbreitete Zweifel gibt, dass Kickl der richtige Parteiführer ist: Auf die Frage, wer die FPÖ erfolgreich in die nächste Wahl führen könnte, nennen 18 Prozent Kickls Vorgänger Norbert Hofer, nur elf Prozent Kickl. Hofer-Fans gibt es in den Wählerschaften aller Parteien, besonders in der ÖVP, aber auch unter Freiheitlichen sind 27 Prozent Anhänger von Hofer – in der FPÖ-Gefolgschaft liegt Kickl aber mit 36 Prozent vorn. Auffallend ist, dass 30 Prozent der Personen, die jetzt eine Wahlabsicht für die FPÖ angeben, sich als ÖVP-Wähler des Jahres 2019 bekennen.

Die Grünen kommen in der Hochrechnung nur auf zehn Prozent, ebenso wie bei der ÖVP ist das der schlechteste Wert in der Zeitreihe seit der Wahl, als die Grünen 13,9 Prozent hatten. In der Kanzlerfrage kommt Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler auf sieben Prozent. Ob es jemanden gibt, der es besser machen würde? Mit 16 Prozent der Nennungen kommt nur Justizministerin Alma Zadić an Kogler heran, der von 20 Prozent als geeignet für die Parteiführung eingeschätzt wird.

Ähnlich wie die Grünen liegen die Neos: elf Prozent in der Hochschätzung, sechs Prozent für Parteichefin Beate Meinl-Reisinger in der Kanzlerfrage. Sie ist jene Parteichefin, der am meisten zugetraut wird – 30 Prozent sehen sie als bestmögliche Person an der Neos-Spitze, weit vor dem früheren Chef Matthias Strolz (16 Prozent).

Weit weg von Mandatsrängen sind alle anderen Parteien. Der MFG, der zu Jahresbeginn noch fünf Prozent zugetraut wurden, wird jetzt nur mehr ein Prozent der möglichen Wählerstimmen zugerechnet, andere Kleinstparteien könnten rund zwei Prozent erwarten.

Market-Institutsleiter David Pfarrhofer betont, dass solche Erhebungen immer nur Momentaufnahmen darstellen können: "Das ist keine Prognose, wie die nächste Wahl ausgehen wird – das ist einfach das Bild, das die Parteien und ihre Spitzenpolitiker in den Augen der Wahlberechtigten derzeit abgeben. Bis zu einer Wahl kann sich ja noch viel tun."

Mangelnde Problemlösungskompetenz

Luft nach oben gibt es jedenfalls. Auf die Frage "Hat die österreichische Bundesregierung die Probleme des Landes im Großen und Ganzen im Griff oder ist das nicht der Fall?" bescheinigen nur 27 Prozent der Regierung Problemlösungskompetenz – 73 Prozent sagen explizit, dass diese nicht gegeben sei. Selbst in der – stark geschrumpften – Anhängerschaft der Regierungsparteien gibt es nur knappe Mehrheiten, die der Regierung zutrauen, im Wesentlichen das Richtige zu tun. Dies war allerdings auch in früheren Umfragewellen – etwa im Dezember 2021 – so.

Und wie soll es weitergehen? Auch das ließ DER STANDARD erheben: 41 Prozent (besonders erklärte Freiheitliche) wünschen sich möglichst rasche Neuwahlen, gleich viele Befragte sind dafür, dass die Legislaturperiode regulär bis zum Herbst 2024 läuft. (Conrad Seidl, 9.12.2022)