Grüne, KPÖ und antifaschistische Organisationen fordern die Umbenennung von nach Nazis benannten Straßen und schlagen vom NS-Regime ermordete Widerstandskämpferinnen vor. Am Foto Baustadträtin Anna Schiester (Grüne) mit einem Bild der 1942 ein Auschwitz ermordeten Anna Reindl.

Foto: Thomas Neuhold

Sollen die über 60 nach Nationalsozialisten oder Systemgünstlingen benannten Straßen und Plätze in der Stadt Salzburg umbenannt werden? Ja, zumindest in 13 Fällen hochbelasteter Nazis, befand eine von der Stadt eingesetzte Historiker- und Historikerinnenkommission. Darunter so prominente Namen wie Hitlers Lieblingsbildhauer Josef Thorak, der Dirigent Herbert von Karajan oder Ferdinand Porsche.

Nein, befand vor rund einem Jahr der Salzburger Gemeinderat mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, der Ein-Personen-Liste Salz und Neos-Mandatar Lukas Rößlhuber. Eine Zusatztafel unter dem Straßenschild müsse reichen. Hauptargument der Umbenennungsgegner und -gegnerinnen: Man dürfe Geschichte nicht auslöschen.

Der Kulturausschuss des Salzburger Gemeinderates verabschiedete nun gegen die Stimme der grünen Bürgerliste die Textierung für die 13 Tafeln. So wird also beispielsweise am Herbert-von-Karajan-Platz Folgendes zu lesen sein: "Dr. h. c. Herbert von Karajan (1908–1989). In Salzburg geborener Dirigent, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Er trat 1933 der NSDAP bei und nutzte das NS-Regime für seine Karriere. Künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele 1956–1960 und Gründer der Osterfestspiele 1967."

"Fragwürdiges Bild"

Die grüne Bürgerliste, die KPÖ, aber auch Wissenschafter kritisieren die Erklärungstaferln scharf. So meint beispielsweise der Salzburger Zeithistoriker Andreas Praher: Die beschlossenen Erläuterungstafeln seien "nicht mehr als eine kosmetische Korrektur. Wir lesen nichts von der SS-Mitgliedschaft des SS-Oberführers Ferdinand Porsche, der tonnenweise Kriegsmaterial für den Vernichtungskrieg mithilfe von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen produzieren ließ. Wir lesen nichts von den Propagandakonzerten eines Herbert von Karajan im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten, während das Massenmorden in den NS-Vernichtungslagern weiterging."

Praher meint, dass im öffentlichen Bewusstsein "ein anderes und sehr fragwürdiges Bild" hängen bleibe: Nun gut, diese Männer waren Nazis, aber sie haben Großartiges für Salzburg geleistet – und daher haben sie es verdient, eine Straße zu zieren. Salzburg solle sich aber an anderen internationalen Tourismusstädten wie beispielsweise Hamburg orientieren, sagt Praher. Diese würden den Umgang mit NS-belasteten Straßen tatsächlich ernst nehmen und offen angehen.

Neubenennung der NS-Täter-Straßen

Ähnlich auch der Kultursprecher der grünen Bürgerliste Markus Grüner-Musil: "Wenn die Wissenschaft aufgrund von Fakten eine Empfehlung ausspricht, so sollte die Politik dieser Empfehlung folgen." Taferln mit einer Minimaltextierung würden der Tragweite der NS-Verbrechen nicht gerecht und seien letztlich verharmlosend. In anderen deutschsprachigen Städten sei in ähnlichen Fällen eine Umbenennung durchgeführt worden. Dort seien Personen, insbesondere Frauen, ausgezeichnet worden, die sich aktiv im Widerstand gegen die NS-Diktatur engagiert und dabei oftmals ihr Leben verloren haben.

KPÖ-Gemeinderat Kay-Michael Dankl, selbst Historiker, schlägt vor, dass Erläuterungstafeln nach einer Neubenennung der Täter-Straßen angebracht werden sollen, um darauf hinzuweisen, warum man die Namen geändert hat und Nationalsozialisten nicht mehr ehrt. (Thomas Neuhold, 7.12.2022)