Der farbenprächtige Tukan gilt als Spezialist für die Verbreitung großer Pflanzensamen und fördert damit die Biodiversität.
Foto: Christian Ziegler / Max Planck Institute

Sie entziehen der Atmosphäre Kohlendioxid und schaffen in Zeiten des Artenschwunds wertvollen Lebensraum für vielerlei Organismen: Wälder bilden einen integralen Pfeiler beim Schutz des Klimas und der Biodiversität. Bei der Wiederherstellung geschädigter oder gerodeter Waldgebiete konzentrieren sich die Bemühungen bislang meist auf zwei Komponenten: Bäume und Bewirtschaftungsmethoden. Ein neuer Bericht weist nun auf einflussreiche, bisher aber oft übersehene Treiber der Waldregeneration hin: Tiere.

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DER STANDARD

Ihre Rolle war Gegenstand einer Studie des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, der Yale School of the Environment, des New York Botanical Garden und des Smithsonian Tropical Research Institute. Dem Forschungsteam stand dabei ein außerordentlicher Informationsschatz zur Verfügung: Langzeitdaten aus dem Barro Colorado Nature Monument in Zentralpanama, das als die am besten beforschte und dokumentierte tropische Waldregion der Welt gilt.

Schlüssel für gesunde Ökosysteme

Nach der Analyse der Datensätze stand fest, dass Tiere durch die Verbreitung von Samen die Pflanzenvielfalt in degradierten Wäldern besonders schnell wiederherstellen können. Diese Diversität an Baumarten ist wiederum ein Garant für resiliente und gesunde Wälder. In den Tropen werden mehr als 65 Prozent aller Pflanzenspezies von Tieren verbreitet.

"Tiere sind unsere größten Verbündeten bei der Aufforstung und der Schlüssel zur Wiederherstellung funktionierender Ökosysteme", sagt Studienautorin Daisy Dent vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie dem STANDARD. "Größere Tierarten, etwa Primaten und große Vögel, die sich von Früchten ernähren, spielen eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung von Samen und Baumarten, die typisch für ältere Waldbestände sind", erklärt die Tropenökologin.

Da diese Tiere meist große Reviere haben, können sie Samen über beträchtliche Distanzen hinweg verbreiten. So bringen sie Baumarten aus intakten Wäldern auch in geschädigte oder gerodete Gebiete zurück, die für eine Verbreitung durch Wind, kleine Vögel und kleine Säuger zu weit entfernt sind. Die Forschenden analysierten auch, wie sich der Einfluss unterschiedlicher Tiergruppen auf die Diversität der Flora im Lauf der Zeit verändert.

Mekka der Waldforschung

Dafür untersuchten sie verschiedene Waldflächen, in denen seit 20, 40, 70, 100 oder mehr als 100 Jahren keine menschlichen Eingriffe mehr stattgefunden hatten. Betrachtet wurden vier Tiergruppen: kleine und große Vogelarten, Fledermäuse und Säuger. Es zeigte sich, dass junge regenerierende Wälder hauptsächlich aus Bäumen bestanden, die von kleinen Vogelarten verbreitet wurden. Diese Pflanzen bilden einen Bewuchs, der große Vögel und Säugetiere anzieht. Mit zunehmendem Waldalter stieg so auch die Zahl der von größeren Vogelarten verbreiteten Bäume.

Die über 100 Jahre reichenden Daten erlaubten außergewöhnliche Einblicke in die Interaktion zwischen Tieren und ihren Futterpflanzen, die im Normalfall äußerst schwierig zu studieren ist, wie Dent betont. Anders gestalte sich die Lage im Barro Colorado Nature Monument – bestehend aus der Barro-Colorado-Insel inmitten des Panamakanals sowie fünf Halbinseln des angrenzenden Festlands.

Dieser tropische Sekundärwald im Zentrum Panamas ist Teil des Schutzgebiets Barro Colorado Nature Monument. Bereits 1923 wurde hier eine Forschungsstation errichtet, bis heute zieht die Region Forschende aus aller Welt an.
Foto: Christian Ziegler / Max Planck Institute

Teile des heutigen Schutzgebiets dienten ab den 1880er-Jahren für die Weidehaltung von Rindern und für den Obstbau. 1979 wurden die 1914 durch das Aufstauen des Chagres River geschaffene Barro-Colorado-Insel und die Halbinseln Gigante, Peña Blanca, Bohío, Buena Vista und Frijoles offiziell zum Schutzgebiet erklärt. Schon 1923 wurde die erste biologische Station auf Barro Colorado eröffnet, sie sammelte Daten über die sich erholenden Tropenwälder der Region. Infolge avancierte die Einrichtung zur führenden Feldstation für Studien der Tropenbiologie.

Ihr Ruf zieht nach wie vor Forschende aus aller Welt an, die teils verblüffende Ergebnisse zutage fördern. Überraschungen erlebten auch Dent und ihr Team. "Verblüffend ist, dass durch alle Altersstufen der Waldflächen hinweg der Großteil der Pflanzen von Säugern verbreitet wird, und auch, dass die meisten Pflanzen von mehreren Spezies und Tiergruppen verteilt werden", sagt sie.

Tiere bei Aufforstung mitdenken

Dent glaubt, dass die Erkenntnisse aus den untersuchten Sekundärwäldern auch bei Aufforstungsprojekten abseits der Tropen hilfreich sein können. Zu beachten sei, dass Wiederaufforstungsflächen in näherer Umgebung zu intakten Wäldern liegen. Das erleichtere das Einwandern von Tieren und garantiere die Verbreitung von Samen. Auch ein geringer Jagddruck sei von Vorteil, da tierische Gehilfen dadurch stabile Populationen bilden können.

Unter diesen Voraussetzungen könne die Fauna die Erholung geschädigter Wälder bedeutend beschleunigen. Der Aufbau gesunder Ökosysteme gilt angesichts des Klimawandels als besonders wünschenswert. Wie etwa auch die Uno betont, können Wälder dazu beitragen, die Resilienz ganzer Gesellschaften gegen die vielfältigen Auswirkungen der globalen Erwärmung zu stärken. (Marlene Erhart, 11.12.2022)