Der steuerfreie Zuverdienst von 700 Euro wurde seit 1988 nicht erhöht. Das absetzbare Kilometergeld ist seit 2008 gleich.

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Nach jahrzehntelangen Diskussionen wird es nächstes Jahr tatsächlich passieren: Österreich schafft die kalte Progression ab. Der Staat soll nicht mehr davon profitieren, dass Menschen aufgrund der Teuerung automatisch in höhere Steuerklassen rutschen und die Steuerlast dadurch "heimlich" größer wird.

Doch anders als oft dargestellt, wird die schleichende Steuererhöhung nicht völlig abgeschafft. In vielen Bereichen profitiert der Staat weiterhin von der Inflation, erklärt Stefan Szauer, Geschäftsführer und Partner bei der Steuerberatung Mazars im STANDARD-Gespräch. Das macht sich vor allem in Zeiten hoher Teuerungsraten bemerkbar.

1. Abgeltung von zwei Dritteln

Die kalte Progression wird bei der Lohnsteuer nicht ganz automatisch abgegolten. Die Schwellen der Steuertarife werden nur um zwei Drittel der Inflation erhöht. Für nächstes Jahr sind das 3,46 Prozent. Das restliche Drittel will die Regierung als Puffer behalten, um einen verteilungspolitischen Spielraum zu behalten. Dafür muss jedes Jahr bis 15. September ein Beschluss gefasst werden. Das verbleibende Drittel muss jedenfalls an Steuerzahler gehen.

2. Gleiche steuerfreie Zuverdienstgrenze seit 1988

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen neben ihrer Haupttätigkeit einen gewissen Betrag steuerfrei dazuverdienen. Dieser Veranlagungsfreibetrag ist jedoch seit dem Jahr 1988 unverändert geblieben. Damals durften Arbeitnehmer 10.000 Schilling pro Jahr steuerfrei dazuverdienen. Heute sind es 730 Euro, umgerechnet also genauso viel.

3. Unverändertes Kilometergeld seit 2008

Unternehmerinnen und Unternehmer dürfen für Fahrten mit dem privaten Auto Kilometergeld als Betriebsausgabe geltend machen, die den Gewinn und somit die Steuerbelastung kürzt. Dieses Kilometergeld beträgt seit 2008 unverändert 0,42 Euro. Auswirkungen hat der Betrag auch dann, wenn Arbeitgeber ihren Dienstnehmern Fahrten mit dem Privatauto abgelten. Steuerfrei bleibt diese Abgeltung nur bis zur Grenze von 0,42 Euro pro Kilometer.

4. Gleiche Anschaffungskosten für Firmenautos seit 2005

Unternehmerinnen und Unternehmer dürfen bei der Anschaffung von Dienstwagen maximal 40.000 Euro als Ausgaben geltend machen. Diese Grenze wurde allerdings seit 2005 nicht mehr angehoben. Die Basis zur Errechnung des steuerpflichtigen Sachbezugs wurde dagegen im Jahr 2016 von 40.000 auf 48.000 Euro erhöht. Im Ergebnis führt das dazu, dass Unternehmen nur Kosten bis zu 40.000 Euro steuerlich geltend machen können, Dienstnehmer jedoch auf einer Basis von 48.000 Euro Lohnsteuer bezahlen müssen.

5. Unveränderte Grenze für steuerfreie Zukunftssicherung seit 2001

Bestimmte soziale Zahlungen von Arbeitgebern an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten nicht als lohnsteuerpflichtige Sachbezüge. Erfasst sind Leistungen zur "Zukunftssicherung" wie Beträge an Pensionsinvestmentfonds oder an Krankenzusatzversicherungen. Als die Regel im Jahr 1988 eingeführt wurde, war jährlich eine steuerfreie Zahlung von bis zu 4000 Schilling (also rund 290 Euro) möglich. Im Jahr 2001 wurde der Betrag dann auf 300 Euro angehoben und gilt in dieser Höhe bis heute.

6. Inflationsbedingte Wertsteigerungen werden nicht berücksichtigt

Wertsteigerungen aus dem Verkauf von Liegenschaften oder Kapitalvermögen werden mittlerweile sowohl im Privatvermögen als auch im Betriebsvermögen ausnahmslos besteuert. Steuerpflichtig sind dabei allerdings auch Steigerungen des Nominalwerts, die rein auf die Inflation zurückzuführen sind. Die Lösung wäre, die Wertsteigerung, die der Geldentwertung und nicht der realen Wertsteigerung entspricht, aus der Besteuerung auszuscheiden. Bei Einführung der Immobilienertragssteuer für Privatpersonen im Jahr 2012 war unter bestimmten Voraussetzungen ein Inflationsabschlag von zwei Prozent pro Jahr vorgesehen. "Dieser Abschlag wurde aber ohne viel Wirbel ein paar Jahre später gestrichen", sagt Steuerexperte Szauer.

Automatische Anpassung?

Steuergrenzen nicht zu verändern ist freilich oft auch eine bewusste steuerpolitische Entscheidung. So kann die effektiv höhere Besteuerung durch das unveränderte Kilometergeld etwa klimapolitischen Zielen dienen.

Szauer fordert dennoch, dass jegliche Grenzen automatisch an die Inflation angepasst werden. "Die Abschaffung der kalten Progression ist ein überfälliger Schritt in die richtige Richtung", sagt Szauer. "Es gibt aber noch viele Bereiche, bei denen der Staat an der hohen Inflation mitverdient." Das sei gerade in Krisenzeiten "nicht gerecht". Einen Verweis auf mögliche Verwaltungsbelastungen lässt er nicht gelten. "Kein Mensch rechnet die Steuer mehr händisch aus, das läuft längst automatisiert." (Jakob Pflügl, 8.12.2022)