Die Solarpaneele für den Römer Weihnachtsbaum kommen nicht unbedingt gut an.

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Die Sache war zweifellos gut gemeint: In Zeiten von Energieknappheit und astronomischen Strompreisen wollte Roms sozialdemokratischer Bürgermeister Roberto Gualtieri mit leuchtendem Beispiel vorangehen und die Tausenden von Lämpchen am traditionellen Weihnachtsbaum auf der prächtigen zentralen Piazza Venezia statt mit Strom aus der Steckdose mit nachhaltig produzierter Energie aus Solarpaneelen zum Funkeln bringen. Und in der Tat ist der 25 Meter hohe, CO2-frei beleuchtete Weihnachtsbaum aus Norditalien eine wahre Pracht. Zumindest in der Nacht.

Am Tag aber, wenn statt der elektrischen Kerzen die Sonne am Himmel leuchtet und mit ihren Strahlen die Solarbatterien auflädt, ist der Weihnachtsbaum der Stadtverwaltung "bruttissimo", finden die Römerinnen und Römer. Also sehr wüst. Denn die Solarpaneele wurden nicht etwa auf dem Dach eines nahegelegenen Palazzo versteckt, sondern mitten auf der Piazza rund um den Baum herum drapiert – mit ihren 45 Quadratmetern Fläche sind sie unübersehbar. "Eine Faust aufs Auge, eine Sauerei", echauffierte sich die linksliberale Römer Zeitung "La Repubblica", die dem Bürgermeister politisch eigentlich nahesteht.

Erinnerungen an den Spelacchio

Und natürlich rief der Solarbaum umgehend Erinnerungen an einen seiner Vorgänger wach – an den armen Spelacchio nämlich. Das Wort bedeutet so viel wie: halb kahl, spärlich befiedert, schäbig. Spelacchio war der Spottname für den Weihnachtsbaum der früheren Bürgermeisterin Virginia Raggi von der Fünf-Sterne-Protestbewegung, und sein Nadelkleid konnte tatsächlich nicht anders als stark gelichtet bezeichnet werden. Schon damals, an Weihnachten 2017, war der triste "albero natale" in der Ewigen Stadt zum Politikum geworden: Spelacchio wurde zum Symbol für das unglückliche Wirken der Bürgermeisterin, der nicht nur bei der Baumauswahl, sondern auch beim Regieren nicht viel gelungen war.

Und natürlich wird nun auch die neue Ökotanne politisch aufgeladen. Gualtieri, muss man wissen, erscheint zwar als seriöser und kompetenter als Raggi, aber er gilt auch ein wenig als Streber mit Hang zur Besserwisserei. Angesichts des Umstands, dass es sich beim Umweltbewusstsein nicht um eine Primärtugend seiner Untertanen handelt, verfolgte Gualtieri mit dem Solarbaum auch pädagogische Ziele: Er wollte den Römerinnen und Römern die Vorzüge nachhaltiger Energieträger vor Augen führen – und gleichzeitig sich und seine Stadtregierung als Öko- und High-Tech-Pioniere in Szene setzen.

Kritik von der Rechtsregierung

Nur schade, dass Bürgerinnen und Bürger, die von sich aus Photovoltaikanlagen montieren wollen, in Rom auf hundert bürokratische Hindernisse stoßen. Und so sprach der Kunstkritiker Vittorio Sgarbi, Staatssekretär für Kultur in der Rechtsregierung von Giorgia Meloni, von der "unmoralischen Zurschaustellung eines falschen Umweltschutzes". Der Solarbaum sei unästhetisch und verschandele die schöne Piazza Venezia, und er stelle auch eine grobe Verletzung der Regeln dar, denn für das Aufstellen von Solaranlagen mitten im historischen Zentrum Roms sei eine Bewilligung des Kulturministeriums erforderlich. Und vom Vorliegen einer solchen habe er nichts gehört.

Gualtieri, der in der Baumaffäre auch von der eigenen Partei nur halbherzig unterstützt wird, kann sich damit trösten, dass auch der Papst beim Weihnachtsschmuck nicht unfehlbar ist. Vor zwei Jahren irritierte Franziskus die Gläubigen mit einer wenig weihnächtlichen Weihnachtskrippe: Statt des traditionellen Stalls mit der Heiligen Familie, den Heiligen Drei Königen, dem Ochsen und dem Esel stand auf dem Petersplatz ein Gerüst aus Stahl und Glas. Darin tummelten sich sonderbare Figuren, darunter ein Astronaut und ein düsterer Krieger mit Darth-Vader-Helm – die reinste Geisterbahnatmosphäre. Die Kommentare reichten von "absolut grauenvoll" bis zu "gotteslästerlich". Im Vergleich dazu wirkt die Kritik am Bürgermeister geradezu moderat. (Dominik Straub aus Rom, 7.12.2022)