Die 29-jährigen Angeklagte wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

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Innsbruck – Eine 29-Jährige ist am Mittwoch am Innsbrucker Landesgericht wegen des Verbrechens des Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Das Urteil der Geschworenen fiel einstimmig. Der Frau wurde vorgeworfen, im November 2021 in Neustift im Stubaital ihren Vater mit einem Küchenmesser attackiert und ihm zahlreiche Stich- und Schnittverletzungen zugefügt zu haben, an deren Folgen der 57-Jährige schließlich verstarb.

Das Urteil war vorerst nicht rechtskräftig. Als mildernd für das Strafmaß nannte Richterin Helga Moser, dass die Angeklagte zum Tatzeitpunkt "eingeschränkt" gewesen sei, sowie ihre bisherige Unbescholtenheit. Als erschwerend sah sie hingegen das Tatgeschehen selbst an, das mit einem "außergewöhnlich hohem Maß an Gewalt" durchgeführt worden sei. Auch dass die Tat in den "eigenen vier Wänden" des Vaters erfolgt sei, also an einem Ort, an dem sich dieser an sich sicher fühlen können sollte, benannte sie als Erschwernisgrund.

Ausnahmezustand im Affekt

Vor Gericht hat die Angeklagte zuvor die Tat gestanden. Sie habe "zugestochen und ihn getötet", sagte sie. Der Vater sei bei ihrem Besuch in seiner Wohnung "betrunken gewesen und immer aggressiver geworden", gab die Beschuldigte vor den Geschworenen an. "Zuvor habe ich ihn mit verschiedenen Dingen im Gespräch, etwa seiner Alkoholsucht, konfrontiert, und er wurde immer bösartiger." Sie habe schließlich "Angst gehabt", sei "immer wütender geworden" und schließlich "explodiert". An den genauen Tathergang im Anschluss habe sie aber "keine Erinnerung", auch nicht daran, wie das Messer in ihre Hand gekommen sei.

Auf diese Erinnerungslücken wies auch im Vorfeld bereits die Verteidigerin hin: "Die Angeklagte wird aussagen, woran sie sich erinnern kann." Klar sei jedenfalls, dass sie die Tat in einem "irrsinnigen Erregungszustand" begangen habe. "Ein Gefühlssturm hat sie beherrscht", erklärte die Verteidigerin. Direkt nach der Tat sei die Angeklagte dann "psychisch zusammengebrochen".

Diesen Ausnahmezustand im Affekt gestand auch der Staatsanwalt der Angeklagten zu. "Sie hat aber zu jedem Zeitpunkt gewusst, dass sie ein Unrecht begeht", so der öffentliche Ankläger. Die Frau sei zwar womöglich "in der Steuerung der Tat eingeschränkt gewesen", insgesamt aber zweifellos "schuldfähig". Daran schloss auch Richterin Helga Moser an, die die Angeklagte danach fragte, ob sie gewusst habe, dass ihr Vater aufgrund der Messerattacke sterben könnte, was die Angeklagte mit einem "Ja" beantwortete.

Die einvernommenen Zeugen attestierten der Angeklagten einen "normalen Zustand" am Tag der Tat. Beim vorangegangenen Mittagessen sei "nichts bemerkbar" gewesen, sagte etwa die Mutter der Angeklagten: "Ich hatte einen guten Eindruck von meiner Tochter." Auch ihr Ex-Freund beschrieb sie beim gemeinsamen Essen mit der Mutter als "normal" und "wie immer".

Frau war zurechnungsfähig

Über den genauen Zustand der 29-Jährigen zum Tatzeitpunkt gab schließlich die psychiatrische Sachverständige Adelheid Kastner in ihrem Gutachten Auskunft. Die Angeklagte sei ob der Trennung von Vater und Mutter und ihrem Wunsch, wieder ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater aufzubauen, zwar von dieser fixen Idee getrieben, aber zum Zeitpunkt der Tötung zurechnungsfähig gewesen. "Sie hatte zwar eine eingeschränkte Steuerung ihres Tuns, aber die Zurechnungsfähigkeit war zu keinem Zeitpunkt aufgehoben", erläuterte Kastner im Prozess. Die Angeklagte habe im "dynamischen Tatgeschehen viele Entscheidungen" getroffen und angetrieben von "Zorn, Wut und Kränkung" agiert.

Gerichtsmediziner Walter Rabl sprach schließlich in dieser Hinsicht von einem Tatgeschehen mit "massiver Wucht. Zum Tode des Vater haben letzten Endes eine Kombination aus starkem Blutverlust und Luftembolie geführt." Letztere sei vor allem deshalb eingetreten, weil die "Halsvenen geöffnet waren". Die Halsverletzungen seien schließlich auch die "tödlichen Verletzungen" gewesen, so Rabl.

In seinem Schlussplädoyer plädierte der öffentliche Ankläger abermals auf schuldig im Sinne der Anklage: "Es hat sich bei der Tat um ein Gemetzel gehandelt, nicht um einen einzelnen Messerstich." Die Vorgeschichte mit den innerfamiliären Streitereien liege mit dem Jahr 2018 zudem schon etwas zurück. Es gebe somit aus seiner Sicht "keinen Spielraum", was die richtige Rechtssprechung betreffe.

Dem widersprach die Verteidigerin der Angeklagten: "Mit dieser Familienvorgeschichte muss man absolut von Mord im Affekt ausgehen." Der Vater habe die Familie regelrecht drangsaliert und habe mehrere gefährliche Drohungen gegen diese ausgesprochen.

Die Tatverdächtige hatte nach den Messerattacken im November selbst die Einsatzkräfte verständigt. Sie sagte am Telefon, dass "etwas Schlimmes passiert ist". Die 29-Jährige erlitt selbst Schnittverletzungen an den Händen. (APA, red, 7.12.2022)