Wladimir Putins Aussagen lassen keine rosigen Aussichten aufkommen.

Foto: APA / AFP / Sputnik / Mikhail Metzel

Nach den vermeintlichen ukrainischen Drohnenangriffen auf russische Militärflugplätze weit im Landesinneren verstärkt sich die Sorge vor einer Eskalation des Krieges. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach am Mittwoch davon, dass die Gefahr eines Atomkriegs wachse. Russland sehe sein Atomwaffenarsenal nur als Abschreckung, werde sich aber "mit allen Mittel" verteidigen, und wiederholte damit ähnliche seit Kriegsbeginn geäußerte Botschaften. Zugleich wuchs die Sorge, dass sich angesichts von Truppenbewegungen in Belarus eine zweite Front für die Ukraine aufbauen könnte.

Putin hatte sich in einer vom russischen Fernsehen übertragenen Rede zudem darüber beklagt, dass westliche Menschenrechtsorganisationen Russland als "ein Land zweiter Klasse betrachten, das kein Recht habe zu existieren". Die Antwort sei ein konsequenter Kampf für nationale Interessen. Man werde auch friedliche Mittel einsetzen. "Aber wenn nichts anderes übrigbleibt, werden wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen", fügte er hinzu. Russland sehe sein Atomwaffenarsenal als Mittel zur Vergeltung, nicht zum Erstschlag. "Wir sind nicht verrückt geworden, wir wissen, was Atomwaffen sind", sagte Putin.

Lange "Spezialoperation"

Ob er sich mit der Phrase "mit allen Mitteln" letztlich auf die Atomwaffen bezog oder nicht, blieb am Ende wieder mehrdeutig. Zwar sprach der Präsident so deutlich wie selten über das Nuklearwaffenarsenal. Zugleich setzte er seine Aussagen aber auch in den Kontext der Mobilisierung. Es sei aktuell nicht nötig, weitere Russen zum Dienst an der Front einzuziehen, sagte er, deutete aber an, dass eine solche Option weiterhin bestehe. Putin sprach erneut von einer "Spezialoperation" und nicht von einem Krieg, sagte aber zugleich, dass diese noch lange andauern könne.

Die Regierung des mit Russland verbündeten Belarus erklärte am Mittwoch, es verlege Truppen und militärische Ausrüstung, um einer terroristischen Bedrohung entgegenzuwirken. Präsident Alexander Lukaschenko, der bei der Niederschlagung eines Volksaufstandes vor zwei Jahren auf russische Rückendeckung angewiesen war, hatte bereits zugelassen, dass Belarus als Aufmarschgebiet für die russische Invasion in der benachbarten Ukraine dient. Seine eigene Armee hat er aber herausgehalten. In den vergangenen Wochen mehrten sich jedoch die Anzeichen für ein Engagement Moskaus in Belarus. Ein solches könnte sich etwa gegen die Nachschubrouten für Waffen im Westen der Ukraine richten – oder dazu dienen, Truppen der Ukraine vom Osten abzuziehen.

Drohnen bringen Eskalationsangst

Sorge wegen einer Eskalation gibt es auch wegen vermutlichen Drohnenangriffen der Ukraine weit im russischen Staatsgebiet. Auf zwei russischen Luftwaffenstützpunkten tief im Landesinneren hatte es am Montag mehrere Explosionen gegeben, für die Russland ukrainische Drohnenangriffe verantwortlich machte. Die US-Regierung habe die Regierung in Kiew dazu nicht ermutigt, betonte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Man habe mit der Ukraine sehr deutlich über die Rechenschaftspflicht in Bezug auf Waffensysteme gesprochen. "Wir haben unsere Besorgnis über eine Eskalation konsequent zum Ausdruck gebracht. Wir haben sie nicht ermutigt, dies zu tun", sagte Kirby.

Die Ukraine hat unterdessen Ermittlungsergebnisse im Fall der "blutigen Päckchen" bekanntgegeben, die in den vergangenen Tagen in 31 ukrainischen Einrichtungen, darunter auch der Botschaft in Österreich, eingelangt sind. Alle der Pakete, die Tieraugen enthalten, haben nach Angaben des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba gemeinsamen einen deutschen Absender: ein Autohaus im baden-württembergischen Sindelfingen. Der Versand sei über Postämter erfolgt, die nicht mit Videoüberwachung ausgestattet seien. DNA-Spuren seien nicht gefunden worden. "Dies zeigt vor allem die professionelle Umsetzung dieser Aktion", so Kuleba.

Neue EU-Sanktionen

Die russische Regierung zeigt sich derweil besorgt über den Stau von Öltankern am Bosporus. "Wir sind uns dieser Situation bewusst, natürlich bereitet sie uns im Hinblick auf die Interessen unserer Unternehmen Sorgen", zitierte die Nachrichtenagentur Ria am Mittwoch den stellvertretenden Außenminister Alexander Gruschko.

Mindestens 20 Öltanker stauen sich in türkischen Gewässern, um von russischen Schwarzmeerhäfen über den Bosporus ins Mittelmeer zu gelangen, sagte ein Insider aus der Schifffahrtsbranche der Nachrichtenagentur Reuters. Als Auslöser des Staus 0gilt eine Mitteilung der türkischen Schifffahrtsbehörden. Darin werden von den Versicherern zusätzliche Garantien verlangt, dass die Durchfahrt durch den Bosporus abgedeckt ist. Die Maßnahme hängt mit den neuen Vorgaben der G7-Staaten und der EU zusammen, die einen Preisdeckel für russisches Öl vorsehen.

Die EU kündigte derweil weitere Sanktionen an. Sie sollen die russische Armee und weitere drei Banken, die für die Abwicklung von Auslandsgeschäften zuständig sind, betreffen. (red, Reuters, APA, 7.12.2022)