Wahlverlierer unter sich: Donald Trump und der von ihm empfohlene Herschel Walker.

Foto: Reuters / Dustin Chambers

Kurz vor Mitternacht am späten amerikanischen Dienstagabend, als selbst der rechte Fernsehsender Fox News seinen Zuschauern die Hiobsbotschaft nicht mehr vorenthalten konnte, war die Stimmung in Mar-a-Lago düster. "Unser Land befindet sich in gewaltigen Schwierigkeiten", postete Donald Trump aus dem Florida-Exil auf seiner Propagandaplattform Truth Social. Wie bei allen wichtigen Mitteilungen hatte er die Feststelltaste für Großbuchstaben gedrückt: "Was für ein Fiasko!"

Dem zweiten Teil der Ausführungen des Ex-Präsidenten kann man kaum widersprechen. Stundenlang hatten die erratisch eintreffenden Ergebnisse einzelner ländlicher Regionen an dem Abend die Illusion eines Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen dem demokratischen Amtsinhaber Raphael Warnock und seinem republikanischen Herausforderer Herschel Walker um den Senatssitz des Bundestaates Georgia genährt. Doch als dann endlich die Stimmen der Metropolregion um Atlanta ausgezählt wurden, ging es für Walker steil bergab. Am Ende siegte Warnock mit knapp drei Prozentpunkten Vorsprung.

Schadensmeldung in Mar-a-Lago

Der Triumph des afroamerikanischen Pastors, der an der Ebenezer-Kirche in Atlanta predigt, wo einst der Bürgerrechtler Martin Luther King wirkte, ist an sich schon ein bemerkenswertes Ereignis in dem traditionell republikanischen Südstaat. Bereits bei den Midterms am 8. November lag er leicht vorn. Weil jedoch beide Kandidaten die absolute Mehrheit verfehlten, wurde die Stichwahl erforderlich. Dabei konnte Warnock seinen Vorsprung nun noch deutlich ausbauen.

Zum landesweiten Ereignis wird der Urnengang in Georgia aber, weil er zugleich die Demokraten in Washington stärkt und den republikanischen Präsidentschaftsbewerber in Mar-a-Lago beschädigt. Immerhin war der Ex-Footballstar Herschel Walker trotz massiver Bedenken des republikanischen Establishments von Donald Trump als Kandidat durchgedrückt worden. Sein missglückter Antritt beschert den Demokraten nun eine echte Mehrheit von 51 zu 49 Sitzen im politisch wichtigen Senat.

Wochenlang war Georgia wegen der enormen nationalen Bedeutung des Rennens zum Epizentrum der amerikanischen Politik geworden. Die elf Millionen Einwohner des Staates wurden von einen regelrechten Tsunami an Wahlspots und -anzeigen heimgesucht. Eine Rekordsumme von 380 Millionen Dollar wurde von den Spendenfonds der beiden Kandidaten verpulvert.

Guter Mann statt MAGA

Präsident Joe Biden, der sich im Wahlkampf vor Ort angesichts seiner bescheidenen Popularitätswerte nicht gezeigt hatte, gratulierte am Wahlabend dem Sieger Warnock per Telefon. Bei Twitter veröffentlichte er ein Foto seines Gesprächs und versah es mit dem Kommentar: "Heute Abend sind die Wähler in Georgia für unsere Demokratie eingetreten, haben den Ultra-MAGAismus zurückgewiesen und vor allem einen guten Mann in den Senat geschickt." MAGA steht für Trumps Wahlkampfmotto "Make America Great Again."

Da die Demokraten in Pennsylvania einen Senatssitz hinzugewonnen hatten, verschafft ihnen die Wiederwahl von Warnock nun erstmals eine echte Mehrheit im Senat. Bislang sitzen 50 Demokraten ebenso vielen Republikanern gegenüber. Zwar gibt bei einem Patt die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris den Ausschlag. Doch die extrem knappen Mehrheitsverhältnisse verlangsamen viele Prozesse und machen Joe Biden zudem erpressbar, weil jeder demokratische Senator mit seiner Stimme Bidens Agenda blockieren kann.

Patzer und Affären

Künftig muss Biden auf einzelne Abweichler nicht mehr so viel Rücksicht nehmen. Er kann einfacher wichtige Nominierungen vor allem für Richter durchsetzen. Nicht zuletzt können die Demokraten nun auch Vorladungen beschließen. Angesichts der hauchdünnen republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus haben sie damit ein wichtiges politisches Gegengewicht in der Hand.

Für Donald Trump hingegen ist das Ergebnis ein Desaster. Mit Walker scheitert auch der letzte der von ihm bei den Midterms unterstützten extremen Kandidaten. "Run, Herschel, run!", hatte er den Ex-Footballstar im Frühjahr 2021 zu einer Kandidatur gedrängt.

Doch der angeblich "unbesiegbare" Schützling produzierte vor allem Patzer und Affären. Daran mangelt es auch dem Ex-Präsidenten nicht, der juristisch immer stärker unter Druck gerät. Ein Geschworenengericht in New York hat gerade den Trump-Konzern wegen Steuerbetrugs verurteilt. Der Sonderermittler des Washingtoner Justizministeriums zur Untersuchung der versuchten Wahlmanipulation hat Unterlagen über Gespräche Trumps mit Verbündeten angefordert. Und der Untersuchungsausschuss des Kongresses zum Sturm auf das Kapitol könnte in wenigen Tagen gar eine Anklage des Möchtegern-Autokraten empfehlen. (Karl Doemens aus Washington, 7.12.2022)