Egal ob Saudi-Arabien oder Katar: Wenn es abseits des Sports eine Branche gibt, die trotz Menschenrechtsverletzungen oder fragwürdiger Haltung zur Meinungsfreiheit keinerlei Berührungsängste mit diesen Regimes aufweist, dann die Kunstszene. Davon zeugen schon seit Jahren diverse Kooperationen, die, etwa im Falle Frankreichs und Saudi-Arabiens, sogar auf Regierungsebene und teils im Abgleich mit Waffengeschäften paktiert wurden. Ein profitables Business für alle Beteiligten.

Kunst und Kultur sind dort Teil der Soft-Power-Strategie, in die bereits reichlich Kapital floss und weiter fließen wird. Etwa in die zahlreichen von Größen der Architekturszene (vorzugsweise Pritzker-Preisträger) aus dem Wüstenboden gestampften Museen, in denen historische oder zeitgenössische Kulturgüter aus der eigenen Hemisphäre, aber gezielt auch solche der westlichen präsentiert werden: zu Höchstpreisen im internationalen Kunsthandel erworben oder direkt bei Künstlern beauftragt.

Wichtige Player am Markt

Ein Segment, in dem die Herrscherfamilie Katars schon seit einiger Zeit die Nase vorne hat. Die Al Thanis als die Medici der Gegenwart zu bezeichnen mag überzogen sein, jedoch hat sich die Familie in den vergangenen 15 Jahren zu einem der wichtigsten Player des Kunstmarktes entwickelt: angeführt von Scheicha Al-Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al Thani, Schwester des regierenden Emirs von Katar (Tamim bin Hamad Al Thani), die schon von ihrem kunstsinnigen Vater (Hamad bin Khalifa Al Thani) als Chefin der Museumsbehörde des Emirats inthronisiert wurde.

Kunst und Sport als Imagepolitur: Olafur Eliassons Installation "Circular Mirror" beglückt Fußballfans in der Wüste.
AP / Matthias Schrader

Die ersten nennenswerten Einkäufe wurden ab Mitte der Nullerjahre amtlich. In den Folgejahren stiegen die Kunstimporte aus den USA und Europa gewaltig. Dabei liefen viele der Ankäufe nicht nur über öffentliche Auktionen, sondern auch diskret hinter den Kulissen und in Zollfreilagern.

Eine Milliarde jährlich

Deals dringen dabei nur sporadisch an die Öffentlichkeit: Etwa als der griechische Reeder Georges Embirico 2011 Paul Cezannes Gemälde Kartenspieler für kolportierte 250 Millionen Dollar nach Katar abtrat; oder die im schweizerischen Basel ansässige Familienstiftung Staechlin 2014 Paul Gauguins Nafea faa ipoipo? für 210 Millionen Dollar.

Scheicha Al-Mayassa gilt als eine der einflussreichsten Person im globalen Kunstbetrieb, mit einem geschätzten Einkaufsetat von zumindest einer Milliarde Dollar jährlich. Davon profitiert auch die lokale, aber vor allem die zeitgenössische Künstlerelite des Westens: Richard Serra 2014 mit seiner Installation East-West/West-East etwa, oder auch Damien Hirst 2018 mit der 14 Bronzeskulpturen umfassenden Serie The Miraculous Journey. Für die Ausstattung des Flughafens steuerten Jenny Holzer, Urs Fischer oder auch Maurizio Cattelan Arbeiten bei. Zu den aktuellsten Neuzugängen gehören Ugo Rondinones Doha Mountains oder Olafur Eliassons Installation Circular Mirror in der Wüste.

Der Schweizer Künstler Ugo Rondinone schuf "Doha Mountains" (2022) für die Fußball-WM.
Foto: AFP

Aber auch im Ausland blieben Mitglieder der Herrscherfamilie nicht untätig. Genauer Scheich Hamad bin Abdullah Al Thani, ein Cousin des Emirs, der eine wertvolle Privatsammlung sein Eigen nennt. Ein Teil diente der Ausstattung eines Palais in Paris und wurde jüngst von Sotheby’s für etwas mehr als 76 Millionen Euro versteigert.

Richard Serras bereits 2014 entstandene Installation "East-West/West-East".
Foto: AP

Der andere Teil dieser "Al Thani Collection" (ATC) wird seit Herbst 2021 im Hôtel de la Marine in Paris präsentiert oder befindet sich in unterschiedlicher Zusammenstellung auf Wanderschaft durch internationale Museen. Zu den bisherigen Stationen gehörten die Eremitage in St. Petersburg, das Nationalmuseum in Tokyo, das Victoria & Albert Museum in London und das Metropolitan Museum of Art in New York.

Damien Hirsts meterhohe 14 Bronzeskulpturen umfassende Serie "The Miraculous Journey" aus 2018.
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KHM-Schau abgeblasen

Theoretisch würden dieser Tage im Kunsthistorischen Museum (KHM) 250 Exponate dieser Kollektion in den Räumen der Kunstkammer zu sehen sein, die "in einen spannenden Dialog mit der kaiserlich-habsburgischen Sammlung" treten wollten. Praktisch kam es dazu aber nicht. Dabei hätte der Scheich für dieses Gastspiel dem Vernehmen nach 1,5 Millionen Euro springen lassen. Auf STANDARD-Anfrage dementiert das KHM nicht, bestätigt lediglich einen "substanziellen Betrag" und verweist auf eine "vertraglich vereinbarte Diskretion".

Dem Verzicht auf diese zusätzlichen Einnahmen lag jedoch kein moralischer Boykott zugrunde. Vielmehr hatten einige Exponate eine lückenhafte Provenienz. ATC konnte dazu keine ausreichenden Informationen liefern, weshalb das Kulturministerium diesen Objekten die sachliche Immunität verwehrte, die für die Dauer der Ausstellung etwa vor Beschlagnahmen auf Antrag Dritter bewahren würde. Das Ausstellungsprojekt wurde deshalb von den Parteien "in beiderseitigem Einvernehmen" zu Grabe getragen. (Olga Kronsteiner, 9.12.2022)