Hansi Flick soll begeisternden Fußball spielen lassen.

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Der Urlaub muss warten. Bevor sich Hansi Flick mit seinen Liebsten ein paar freie Tage gönnt, beackert der deutsche Teamchef nach dem Vertrauensbeweis der DFB-Spitze noch wichtige Themenfelder. Die Liste ist lang, die Zeit knapp. Flicks klarer Auftrag bis zum Eröffnungsspiel in München bei der extrem bedeutsamen Heim-EM 2024 lautet: Die deutsche Nationalmannschaft muss endlich wieder titelreif werden.

Was Flick in den ersten 15 Monaten seiner Amtszeit nicht gelungen ist, muss der 57-Jährige nun in 553 Tagen vollbringen. "Wir haben volles Vertrauen in Hansi Flick, dass er diese Herausforderung gemeinsam mit seinem Team meistern wird", betonte DFB-Präsident Bernd Neuendorf nach dem zweieinhalbstündigen Gespräch mit Flick und Hans-Joachim Watzke vor den Toren Frankfurts.

Flick versicherte den besorgten Bossen, er werde für das erhoffte Sommermärchen 2.0 aus dem erneuten WM-Debakel "die Lehren ziehen". Das beruhigte. DFB-Vize Watzke schöpfte aus den "sehr in die Tiefe gehenden" Ausführungen entsprechend "viel Hoffnung und Kraft".

Spieler-Flüsterer Flick muss die Zügel anziehen. Sein Wutausbruch in der Halbzeitpause des letzten Gruppenspiels gegen Costa Rica (4:2) dürfte ein erster Fingerzeig in diese Richtung gewesen sein.

Zu locker

Bisher hat sich der Bundestrainer immer schützend vor seine Mannschaft gestellt, zwischen den WM-Spielen großzügig den Besuch der Familien im Teamquartier gestattet. Dies stieß teilweise auf Kritik. Watzke dürfte es im Kopf gehabt haben, als er sagte: Es müssten keine "wesentlichen Dinge" geändert werden, "aber ein paar Dinge abseits, wo wir vielleicht unterschiedlicher Meinung waren".

Entscheidend ist die Ausarbeitung eines tragfähigen und erfolgversprechenden Konzepts für die EURO 2024. Flick braucht einen Kader, der nach drei Turnier-Enttäuschungen wieder begeistert. Dafür muss er selbst seinen in Bayern-Zeiten so erfolgreichen Spielstil überprüfen.

In Katar wurde das gnadenlose Pressing nur phasenweise durchgezogen und brachte nicht den gewünschten Erfolg. "Disziplin, Zuverlässigkeit, Kampf, Verbissenheit und Leidensfähigkeit – das sind Attribute, die uns ausgezeichnet haben, die uns erfolgreich gemacht haben", sagte der ehemalige DFB-Kapitän Michael Ballack.

Eine komplette Abkehr vom bevorzugten System wird es nicht geben. Daher muss Flick die richtige Spielerwahl treffen und darf dabei vor unliebsamen, gar schmerzhaften Entscheidungen nicht zurückschrecken. Thomas Müller (33) und Ilkay Gündogan (32) machen sich Gedanken über ihre Zukunft in der Nationalmannschaft. Manuel Neuer (36) will weitermachen, doch Flick wäre gut beraten, den Konkurrenzkampf zu erhöhen.

Neuer Schwung

Gleichzeitig muss er die Generation um Joshua Kimmich auch im DFB-Trikot endlich titeltauglich machen, zudem die Talente Youssoufa Moukoko (18), Armel Bella Kotchap (20) und Karim Adeyemi (20) näher an die Startelf heranführen.

Für eine erfolgreiche EM bedarf es anders als in Katar einer eingespielten Elf. Flick muss die Test-Länderspiele ab März nutzen, um eine stabile Achse zu errichten. Bei der WM sei "nicht alles schlecht gewesen", betonte Watzke, "aber am Ende war es auch nicht gut genug". (sid, 8.12.2022)