Am Mittwoch wurde Castillo festgenommen.

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Sechs Staatschefs in vier Jahren: Peru kommt auch 2022 nicht zur Ruhe. Am Mittwochnachmittag, also spätnachts mitteleuropäischer Zeit, wurde der bisherige Präsident Pedro Castillo festgenommen, Vizepräsidentin Dina Boluarte übernahm sein Amt. Der politische Paukenschlag folgte, weil Castillo ein "autogolpe", also ein Putsch, vorgeworfen wird: Der Linkspolitiker wollte das Parlament entlassen, um seine eigene Macht abzusichern.

Doch der Schuss ging nach hinten los. Anstatt sich seiner politischen Feinde zu entledigen, begehrten sogar jene aus den eigenen Reihen gegen ihn auf.

Was war passiert? Schon vor einer Woche begann sich die Lage zuzuspitzen: Da musste Castillo in seiner bisher 16 Monate dauernden Amtszeit Ministerpräsidentin Nummer fünf einsetzen, nachdem Aníbal Torres zurückgetreten war. Zum Postenrumoren kamen Korruptionsvorwürfe.

Nach den politischen Rochaden kam es auch auf den Straßen Limas zu Protesten, bei denen die Polizei teilweise Tränengas einsetzte.
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Für Mittwoch war schließlich ein Misstrauensvotum auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt worden. Ursprünglich hatte Castillo angekündigt, sich diesem zu stellen. Doch am Ende löste Castillo das Parlament auf. Er verhängte außerdem eine nächtliche Ausgangssperre. Per Dekret wollte er nun das Land regieren, bis Neuwahlen eine neue Volksvertretung gewählt haben. Wann diese stattfinden sollen, gab er nicht an.

Absetzung und Festnahme

Der erhoffte Befreiungsschlag entpuppte sich aber als politische Kamikazeaktion. Ganz offensichtlich hatte sich der 53-jährige Politquereinsteiger verkalkuliert. Militärvertreter sprachen von einem "Putschversuch". Und im Parlament kam erst recht alles in Bewegung gegen ihn: 101 von 117 Abgeordnete stimmten dafür, ihn wegen "moralischer Unfähigkeit" abzusetzen. Noch am selben Tag wurde er festgenommen, die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Rebellion. Der Oberste Gerichtshof gab auf Twitter bekannt, dass Castillo in Untersuchungshaft genommen wurde – zunächst befristet bis Dienstag.

Die neue Präsidentin Boluarte rief zum "politischen Waffenstillstand" auf und kündigte an, eine neue Regierung zu gründen, unter Einbeziehung aller politischer Kräfte.

Die neue Präsidentin heißt Dina Boluarte. Als bisherige Vize übernahm sie die Amtsgeschäfte von Castillo.
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Castillo kam ursprünglich als Anführer eines Lehrerstreiks in die Politik. 2021 konnte er sich überraschend gegen Keiko Fujimori, die Tochter des Rechtspopulisten Antonio, durchsetzen. Ohne Erfahrung in einem politischen Amt galt er aber als Chaot, der wenig Überblick und Einfluss auf die politische Gemengelage Perus hatte.

Vor allem das Parlament stellte ihm oft ein Bein. Bereits zweimal musste er sich Misstrauensvoten stellen – die er zuvor aber gewinnen konnte. Sein Versuch, die für ihn lästige Institution loszuwerden, kostete ihn nun sein Amt.

Mexiko deutete jedenfalls an, Castillo Asyl zu gewähren, wenn das von ihm gewünscht sei. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) unterstützte den Aufruf Boluartes für einen politischen Neuanfang. Auch die USA sprachen Boluarte ihre Unterstützung aus. (Anna Sawerthal, red, 8.12.2022)