Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft will Licht ins Dunkel der Regierungsmethoden von Nehammers Vorgänger im Kanzleramt bringen.

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Was Sensibilität in der Politik bedeutet, hat diese Woche der burgenländische Landeshauptmann erkennen lassen. Er sei von der Gehässigkeit überrascht, die ihm aus der eigenen Partei entgegenschlage, schüttete Doskozil vor einer Öffentlichkeit aus, die vor so viel Dünnhäutigkeit nur in Ehrfurcht erstarren kann. Endlich jemand, der es sich zu Herzen nimmt, wenn er den anderen auf die Nerven geht, weil er einfach alles besser weiß – wo gibt es das sonst noch im politischen Treiben! Obwohl festzustellen ist, dass die Feinfühligkeit im Lande erfreulicherweise generell im Zunehmen ist. Mit einem Schlag fiel es der Nation wie Schuppen von den Augen, dass es sich bei Licht ins Dunkel um eine Mitleidsmasche handle, die dem ORF hohe Einschaltquoten, leider unter der Würde von Behinderten, verschaffe.

Nicht, dass sich die Politik bisher für die Bedürfnisse behinderter Menschen überkugelt hätte, ist es doch nie zu spät für einen Anlauf, Mitleid durch Recht zu ersetzen. Wie viele Bundespräsidenten haben sich nicht in vielen Adventen als allerhöchste Spenden- und Quoteneintreiber zur Verfügung gestellt – und plötzlich, wo der ORF nach Aussage seines Generaldirektors vor der Pleite steht, soll ihm der Quotenbringer madiggemacht werden.

Behinderung von Journalisten

Man sieht daran, Behinderung hat viele Gesichter. Auch so ein Beispiel von neulich war das Jubiläum der Regierung Nehammer. Da lindert "Fetisch" Fleischmann die Behinderung von Journalisten durch die Umwandlung der permanenten Message-Control in ein anlassbezogenes Kanzlergespräch, ohne dass diese einen großen Unterschied merkten, geschweige denn, dass sie die Minimalwandlung des Spindoktors zu würdigen wussten. Er hätte sich die Mühe sparen können, denn Nehammers einjähriges Überleben wäre auch ohne diesen Eingriff, für den der Kanzler sogar eine Auslandsreise absagen musste, gewürdigt worden. Behinderung als Versuch der Bevormundung mit Sperrfristen ändert daran nichts.

Kurz als Erlöser der Partei

Solange die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft fortfährt, Licht ins Dunkel der Regierungsmethoden von Nehammers Vorgänger im Kanzleramt zu bringen, und solange Nehammer in diesen keinerlei Korruption und in der Justiz nichts anderes als politische Gehässigkeit erkennen will, werden auch besser inszenierte Kanzlergespräche an der mäßigen Wertschätzung seiner Arbeit in der Bevölkerung kaum etwas ändern. Ein Jahr lang hat er nun an der Behinderung durch seinen Vorgänger gelitten, und solange er sich nicht von ihm abzunabeln wagt, wird er weiter leiden. Als ÖVP-Obmann nötigt ihn Parteidisziplin, die verlangt, Kurz als Erlöser der Partei hochzuhalten, als Kanzler klebt er sich an das Narrativ, nicht das Werkzeug derer sein zu wollen, die von Korruption unter Kurz reden. Als ob das schon ein guter Grund gewesen wäre, diesen abzulösen.

Größte Behinderung der Kanzlerschaft

Besser wird’s auch im zweiten Jahr seiner Kanzlerschaft nicht. Kaum hat Thomas Schmid den Antrag auf eine Kronzeugenregelung eingebracht, räumte eine Beratungsfirma in der Hoffnung auf Diversion Fehler ein. Andere potenzielle Kronzeugen sollen sich ebenfalls für diesen Weg erwärmen. Doch man weiß ja nie: Sollte demnächst Sebastian Kurz die Kronzeugenregelung für sich beanspruchen und dafür vom Ethikrat der ÖVP zum Parteiausschluss freigegeben werden, wäre Nehammer die größte Behinderung seiner Kanzlerschaft los. (Günter Traxler, 9.12.2022)