"Bedauerliches Ergebnis": Erste-Chef Cernko versteht Österreichs Politik nicht

Foto: IMAGO/Martin Juen

Ungewöhnlich explizit übt Willibald Cernko, Vorstandschef der österreichischen Großbank Erste Group, in einem Eintrag im Business-Netzwerk Linkedin Kritik an Österreichs türkis-grüner Regierungspolitik. Konkret stößt sich der Banker an Österreichs Entscheidung, den Schengen-Beitritt Rumäniens zu blockieren. Das Land zählt für die Erste Group zu den wichtigsten Märkten in Osteuropa.

"Eine vereinigte EU ist eine, in der alle EU-Bürger dieselben Rechte und Pflichten haben", schreibt Cernko in englischer Sprache. Es gebe keine EU-Mitglieder zweiter Klasse, und das beziehe sich auch auf "die Partizipation im Schengen-Areal".

Bedauerliches Ergebnis

Weiter heißt es: "Wir bedauern das Ergebnis der heutigen Abstimmung im EU-Rat." In diesem ist Österreich mittlerweile der einzige EU-Staat, der sich noch gegen den Beitritt Rumäniens – wie auch Bulgariens – zum Schengen-Raum ausspricht. Die Niederlande und Schweden, zuvor ebenfalls unter den kritischen Staaten, haben mittlerweile eingelenkt.

Cernko drückt anschließend sein Verständnis dafür aus, dass Sicherheitsbedenken in Österreichs Politik eine Rolle spiele. "Allerdings ist zugleich klar, dass dieser Schritt Konsequenzen für Millionen von EU-Bürgerinnen und -Bürgern haben wird." Abschließend fordert der Erste-Chef "schnell eine gangbare Lösung", der Blockade zu begegnen.

Kritik auch aus den Parteien

Ähnlich auch die Reaktion von EU-Parlaments-Vizepräsident Othmar Karas (ÖVP) auf Twitter. Das Veto gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien würde das Problem nicht lösen: "Ja, Österreich erlebt derzeit eine unverhältnismäßige Belastung. Deshalb brauchen wir endlich ein gemeinsames EU-Asylsystem. Mit der Schengen-Erweiterung hat dies aber nichts zu tun."

"Das Veto von Seiten Österreichs zum Schengen Beitritt Rumäniens und Bulgariens ab Jänner 2023 entspricht nicht den europäischen Werten", kritisierten die beiden grünen EU-Abgeordneten Monika Vana und Thomas Waitz. Die Länder würden "alle Voraussetzungen" erfüllen.

Kritik kam auch von den Neos. "Die Bundesregierung hat uns damit endgültig ins europapolitische Aus geschossen", sagte -Europaabgeordnete Claudia Gamon laut Aussendung. "Unsere Unternehmen vor Ort werden den Preis für Karners leichtsinniges Veto zahlen."

Den Freiheitlichen geht das Veto im Kampf gegen illegale Migration im Gegensatz dazu nicht weit genug: "Damit sei das Asylchaos samt den explodierenden illegalen Grenzübertritten noch lange nicht gelöst", sagte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Es seien "innerstaatliche Faktoren, die unser Land nach wie vor zum Zielland Nummer 1" machen.

Reaktion aus Deutschland

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock hat Österreich ebenfalls scharf kritisiert. "Ich hätte mir heute nicht nur eine andere Entscheidung gewünscht, bei der auch Bulgarien und insbesondere Rumänien mit in den Schengen-Raum aufgenommen würden, sondern es ist eine schwere Enttäuschung", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag bei einem Besuch in der irischen Hauptstadt Dublin.

"Dass das jetzt aufgrund des österreichischen Vetos und dieser erzwungenen Entscheidung anders gekommen ist, halte ich europapolitisch und geopolitisch für mehr als falsch."

"Statt eines guten und starken Tages für Europa haben wir heute einen schlechten Tag für Europa", kritisierte Baerbock. "Und ich glaube, da sollte jeder selbst reflektieren, ob das wirklich die richtige Entscheidung gewesen ist." Die deutsche Bundesregierung und auch sie selbst am Telefon hätten bis zur letzten Minute darum gekämpft, dass Bulgarien und insbesondere Rumänien mit in den Schengen-Raum aufgenommen würden. "Wir hätten am Ende dieses so harten, um nicht zu sagen brutalen europäischen Jahres einen weiteren Schritt der Vertiefung Europas gehen können", sagte Baerbock. Dies sei nun anders gekommen.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich indes deutlich für eine Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in den Schengen-Raum aus. "Wir wollen, dass Kroatien, Bulgarien und Rumänien vollständig zum Schengen-Raum dazu gehören", sagte Scholz am Donnerstagabend in Berlin. "Ich bin zuversichtlich, dass dies auch bei den weiteren Bemühungen, die wir unternehmen werden, am Ende gelingen wird", betonte Scholz. (APA, red, Joseph Gepp, 8.12.2022)