Die Reform "wollte der Koalitionspartner nicht, das müssen wir zur Kenntnis nehmen", kritisiert Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in Richtung Grüne.

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Ob bei der geplanten Reform der Arbeitslosenversicherung oder der Neuordnung von Umweltverträglichkeitsprüfungen: Es häufen sich gerade Vorhaben der türkis-grünen Regierung, die scheitern, weil sich die Koalitionspartner nicht auf die Ausgestaltung der Reformen einigen können. Jetzt scheint ein weiteres Projekt gescheitert zu sein, noch dazu in einem äußerst heiklen Bereich: dem Glücksspiel.

Im Regierungsprogramm aus dem Jahr 2020 haben sich ÖVP und Grüne noch auf ein Vorhaben verständigt, das seit Jahren als höchst notwendig gilt und an dem sich auch schon vorangegangene Regierungen versucht haben: eine Neuordnung dieses Sektors. Es soll unter anderem eine "effiziente Behördenstruktur" geschaffen werden, so das Programm. Inzwischen aber zeigt sich, dass die Vorstellungen von ÖVP und Grünen unüberbrückbar weit auseinanderliegen.

Kompetenzen beim Bund und den Ländern

Worum geht’s? Die Bewilligungen für einen großen Teil des heimischen Glücksspiels obliegen den Bundesländern – sie können etwa Automaten erlauben oder, so wie Wien, Verbote erlassen. Es gibt aber auch Bereiche, für die der Bund verantwortlich ist, beispielsweise klassische Kasinos oder die sogenannten Video Lottery Terminals (VLT). Für Derartiges brauchen Glücksspielbetreiber also eine Konzession des Finanzministeriums. Ein Interessenskonflikt, monieren Experten seit Jahren: Denn das Ministerium vergibt nicht nur die Lizenzen, sondern profitiert zugleich von Steuereinnahmen der Glücksspielbetreiber – und fungiert überdies als Teileigentümer der Casinos Austria. Zudem sei das System anfällig für politische Einflussnahme, so die Kritik.

Türkis-Grün wollte deshalb bei der Neuordnung des Glücksspiels gleich mehrere Punkte in Angriff nehmen. Neben einer "Ausweitung des Spielerschutzes", so das Regierungsprogramm, gelte es, "eine Entflechtung der unterschiedlichen Rollen des Finanzministeriums" vorzunehmen. Konkret präsentierte bereits Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) den Plan einer neuen, unabhängigen Bundesbehörde, der die Lizenzvergaben obliegen sollen.

Von Blümel zu Brunner

Mittlerweile ist Blümel zurückgetreten – unter anderem weil Chat-Enthüllungen fragwürdige Verbandelungen mit Managern des Glücksspielkonzerns Novomatic offenbarten. Nachfolger Magnus Brunner (ÖVP) verfolgt das Projekt der Glücksspielbehörde weiter. Er verhandelt seit Monaten mit den Grünen, konkret mit der zuständigen Abgeordneten Nina Tomaselli.

"Mein Ziel war", so Brunner zum STANDARD, "die Vergabe der Glücksspielkonzession nicht mehr im Ministerium, sondern in einer unabhängigen Behörde zu organisieren." Diese sei fertig konzipiert und könne "rasch beschlossen werden". Aber: "Das wollte der Koalitionspartner nicht, das müssen wir zur Kenntnis nehmen."

Es spießt sich beim Spielerschutz

Es spießt sich an Fragen, die nicht unmittelbar mit der neuen Behörde zu tun haben, sondern mit dem anderen Teil der geplanten Reform: dem Spielerschutz. Umstritten ist vor allem die Frage, wie hoch die maximal möglichen Verluste, Gewinne oder Einsätze beim Glücksspiel künftig sein dürfen.

Die Grünen wollen weit restriktiver vorgehen als die ÖVP. So sollen die Grünen etwa bei Automaten einen Maximaleinsatz von 20 Cent fordern, berichten Kenner der Verhandlungen – weit weniger, als die ÖVP zuzugestehen bereit ist. Derzeit beträgt der Maximaleinsatz zehn Euro. Aus dem Umfeld der ÖVP heißt es, übermäßig strenge Regeln würden dazu führen, dass das Glücksspiel in die Illegalität abgedrängt werde – damit sei dem Spielerschutz keineswegs gedient.

Eine Ausschreibung nach altem Modus

Laut Finanzminister Brunner bereitet man sich wegen des Stillstandes nun "auf eine mögliche Ausschreibung nach den bestehenden Regeln vor". Hintergrund: In den kommenden Jahren hätten neue Konzessionen eigentlich bereits von der geplanten Behörde vergeben werden sollen. Doch das geht sich jetzt nicht mehr aus.

Seitens der Grünen heißt es, man wolle "laufende Verhandlungen nicht kommentieren". Nur so viel: Der Spielerschutz sei "ein zentrales Anliegen" der Partei und müsse gewährleistet sein. (Joseph Gepp, 9.12.2022)