An der ungarischen Grenze soll es laut Recherchenetzwerk ähnliche Praktiken mit Asylsuchenden geben. (Symbolbild)

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Berlin – An den EU-Außengrenzen gibt es laut Medienberichten Geheimgefängnisse, in denen Asylsuchende eingesperrt und häufig misshandelt würden. Anschließend würden sie in der Regel in illegalen Pushbacks über die Grenze zurückgeschickt, heißt es in einem Bericht des ARD-Magazins "Monitor" und des "Spiegel" sowie der internationalen Medien Lighthouse Reports, Sky News, Le Monde, Domani, SRF und RFE/RL Bulgaria.

Im Zuge der Recherche-Kooperation sei es erstmals gelungen, die Existenz solcher Orte nachzuweisen, darunter ein vergitterter, baufälliger Verschlag auf dem Gelände einer Station der bulgarischen Grenzpolizei, hieß es weiter. Auf verdeckten Aufnahmen ist demnach zu sehen, wie mehrere Menschen von Abfall umgeben auf dem Boden ausharren müssen, bis sie dann in Autos gebracht und weggefahren werden.

Tagelang ohne Wasser und Essen

Unter Berufung auf Aussagen von Geflüchteten heißt es, in dem Verschlag würden Asylsuchende teilweise mehrere Tage lang ohne Wasser und Essen eingesperrt. Im Anschluss bringe die Polizei die Menschen wieder zurück an die Grenze und zwinge sie, in die Türkei zurückzukehren.

Der Rechtswissenschaftler Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut München stufte dies laut "Monitor" als illegal ein. "Es ist ein absoluter Rechtsverstoß, denn vom Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung darf ich unter keinen Umständen abweichen", sagte Hruschka dem Magazin zufolge. Darüber hinaus handle es sich um eine rechtswidrige Freiheitsentziehung.

Dem Recherche-Netzwerk zufolge finden die illegalen Inhaftierungen offenbar direkt unter den Augen der EU-Grenzschutzagentur Frontex statt. Laut "Monitor" sind im Ort der genannten bulgarischen Grenzstation auch zehn Frontex-Beamte stationiert. Nach Einschätzung des Direktors von Human Rights Watch Deutschland, Wenzel Michalski, machen diese sich demnach mitschuldig, wenn sie solche Praktiken nicht unterbinden, insofern sei Frontex "ein Teil des Problems".

Frontex kündigt Ermittlungen an

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat zwischenzeitlich Ermittlungen angekündigt. "Frontex geht jedem Hinweis über mutmaßliche Grundrechtsverletzungen ernsthaft nach", erklärte die in Warschau ansässige Agentur am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Die Informationen seien an das Büro des Grundrechtsbeauftragten der Agentur weitergeleitet worden. Dieser werde "die Vorwürfe untersuchen", fügte Frontex an. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) erklärte, es sei "zutiefst besorgt" über die Medienberichte. Bulgarien habe Fragen zu den Recherchen unkommentiert gelassen.

In Ungarn deckte die Recherche-Kooperation nach eigenen Angaben ähnliche Praktiken auf: Aufnahmen zeigen demnach, wie Menschen von der ungarischen Grenzpolizei mit Schlagstöcken zu Schiffscontainern getrieben würden. Flüchtlinge berichteten, dass sie über viele Stunden in solchen Containern eingesperrt worden seien, auch hier ohne Wasser oder Essen. Im Anschluss seien auch sie mit Bussen an den Grenzübergang gebracht und zurück nach Serbien gezwungen worden.

Die ungarische Regierung widersprach demnach auf Anfrage allen Vorwürfen. Die ungarischen Beamten würden sich stets an EU-Recht halten, hieß es. Die EU-Kommission habe auf Anfrage mitgeteilt, die Vorwürfe über "Fehlverhalten" an den EU-Außengrenzen würden sehr ernst genommen. Für die Einhaltung der Grundrechte an den Außengrenzen und die Aufklärung der Vorwürfe seien allerdings die jeweiligen Staaten verantwortlich, hieß es demnach aus Brüssel weiter.

Vorwürfe in österreichischem Innenministerium "nicht bekannt"

Ungarn und Bulgarien werden bei der Grenzsicherung auch von österreichischen Polizeibeamten unterstützt. Aus dem Innenministerium in Wien hieß es am Freitag auf APA-Anfrage, "derartige Vorwürfe sind nicht bekannt und wurden österreichischen Polizist/innen im Auslandseinsatz auch nicht wahrgenommen und gemeldet". Auf die Frage, ob diese Berichte für Österreich ein weiteres Argument gegen die Aufnahme Bulgariens in den Schengen-Raum seien, hieß es: "Mit dem Schengen-Veto hat das überhaupt nichts zu tun." (APA, 8.12.2022)