Wien – In den letzten Wochen kam es immer wieder zu Hilferufen aus den Spitälern: Personalknappheit und daraus resultierende mangelnde Qualität bei der Patientenversorgung machen dem Gesundheitspersonal zu schaffen, die Unzufriedenheit ist groß. Der Regelbetrieb kann an vielen Spitälern nicht mehr aufrechterhalten und Operationen müssen verschoben werden.

Der Wiener Gesundheitsverbund fordert per Anordnung die Spitäler in der Bundeshauptstadt auf, Personen ohne Wiener Hauptwohnsitz an ihre Bundesländer zu verweisen.
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Der Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) nahm das zum Anlass, um per Anordnung die Wiener Spitäler aufzufordern, Personen ohne Hauptwohnsitz in Wien abzuweisen. Das bestätigt Wigev-Sprecherin Elena Reghenzani dem STANDARD auf Anfrage. Sei keine dringende Behandlung notwendig, etwa aufgrund einer akuten Verletzung oder Erkrankung, sollen diese Personen an Spitäler in ihren Heimatbundesländern verwiesen werden, auch bei rein ambulanten Leistungen.

Rechtfertigung der Stadt

Der Sprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ), Mario Dujaković, betont ebenfalls, dass davon keine akuten Fälle oder Behandlungen betroffen sind. Den Schritt sehe man aber durch den Personalmangel und die mehrfache Belastung durch das Coronavirus und die Grippe als gerechtfertigt an. Operationen, die etwa auch in Niederösterreich möglich und nicht akut notwendig sind, sollen im entsprechenden Heimatbundesland durchgeführt werden.

"Die Wiener Infrastruktur ist auf die Bevölkerung in der Stadt ausgelegt. Durch die hohe Anzahl der Personen aus anderen Bundesländern wächst aber die Mehrbelastung", sagt Dujaković. Im Einzelfall wird entschieden, ob eine Person tatsächlich ins Spital muss oder nicht. Eine Person werde nur an ein anderes Spital außerhalb Wiens verwiesen, wenn es medizinisch vertretbar ist, keine sofortige Behandlung einzuleiten, fügt Dujaković hinzu. Darunter fallen etwa Operationen, die Monate im Voraus geplant werden.

Ärztekammer übt scharfe Kritik

Als eine "Katastrophe" und eine "politische Bankrotterklärung" sieht Ärztekammer-Vizepräsident Stefan Ferenci die Vorgehensweise der Stadt. "Es ist eine schwierige medizinische Frage, ob ich nun eine Person einen Spitalsaufenthalt verwehre oder nicht." Zudem sei es für Ferenci unverständlich, dass Personen mit einer Krankenversicherung nicht in ganz Österreich ein Spital in Anspruch nehmen könnten. "Hier werden Finanzstreitereien auf den Rücken der Patienten ausgetragen", sagt Ferenci im Gespräch mit dem STANDARD.

Eigentlich gilt in Österreich, dass grundsätzlich jedes Spital unabhängig vom Wohnsitz aufgesucht werden kann. Insbesondere in Wien sind viele Menschen aus dem Burgenland und aus Niederösterreich in Behandlung. Liege aber ein triftiger Grund für diese Entscheidung vor, etwa Engpässe in den Spitälern, so sei die Anordnung rechtlich gedeckt.

In Einzelfällen solle es aber trotzdem die Möglichkeit für Nichtwiener geben, behandelt zu werden, wenn im bundesländerübergreifenden Einzugsgebiet kein ausreichendes Angebot vorhanden ist. In Notfällen sei es ohnehin selbstverständlich, dass in Wien behandelt wird, sagt Reghenzani: "Erleidet jemand plötzlich einen Herzinfarkt in Wien, wird diese Person auch in einer unserer Kliniken aufgenommen und versorgt." (Max Stepan, 9.12.2022)