Nicola Werdenigg mit ihrem Buchtipp "Patriarchale Belastungsstörung".

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Nicola Werdenigg, geborene Spieß und 1976 Viertplatzierte beim Olympischen Abfahrtslauf in Innsbruck, wuchs zusammen mit ihrem älteren Bruder Uli, der später zwei Abfahrten im Skiweltcup gewinnen sollte, im Gemeindeamtsgebäude von Mayrhofen im Zillertal auf. Im Erdgeschoß des Gebäudes war die örtliche Bücherei untergebracht, wo Nicola einfach "zur Moidl", der Leiterin, hinuntergehen und sich schon als Kind alle Bücher ausborgen durfte. Bereits vor ihrer Einschulung konnte sie daher lesen und sich in Pixi-Bücher, die seit 1954 erscheinen, oder in die Wunderwelt vertiefen, eine Kinder- und Jugendzeitschrift, die von 1948 bis 1986 erschien. Im Schigymnasium Stams entschied sich der Teenager dann sogar für Literatur als Fachrichtung und hatte mit Prof. Baldauf einen Lehrer, dessen hohe Qualifikation ihn später ans Goethe-Institut in Weimar führen sollte. Sie las längst Solschenizyn oder Brecht, während die meisten ihrer Kollegen Simmel in der Reisetasche mithatten.

Gerade liest sie das neue Buch der Kulturwissenschafterin, Geschlechterforscherin, Podcasterin und Kolumnistin Beatrice Frasl, deren Arbeit sich "das endgültige Aus für das Patriarchat" zum Ziel setzt. Werdenigg und Frasl lernten sich über Twitter kennen, wo sie selbst sehr aktiv ist und "wo eine starke feministische Bewegung im Gange ist, man tauscht sich aus". In Patriarchale Belastungsstörung geht es darum, "dass psychische Erkrankungen von Frauen meist nicht so im Fokus stehen wie die von … sagen wir: alten, weißen Männern". Das Buch heißt im Untertitel Geschlecht, Klasse und Psyche und zeige, wie sehr auch Gesundheit politisch sei, wie sehr psychische Erkrankungen tabuisiert und Frauen deswegen stigmatisiert würden. Es ginge um das Sprechen über psychische Gesundheit als feministischen Akt.

Neben dem Lesen schaut Werdenigg selbstverständlich nach wie vor gerne Skirennen, aber nicht als Fan, sondern als Technikerin. Sie entwickelte jahrelang selbst Skier und hat Freude daran, während einer Superzeitlupe den perfekten Schwung zu beobachten. (09.12.2022, Manfred Rebhandl)