Die Prozessoren im Bitcoin Heater sorgen für Abwärme.

Foto: 21energy

Innsbruck – Dem Bitcoin eilt der Ruf einer CO2-Schleuder voraus. Mining-Farmen verbrauchen hohe Mengen an Strom: laut dem Bitcoin Electricity Consumption Index der University of Cambridge mehr als etwa Staaten wie Österreich. Gleichzeitig steigen infolge des Ukraine-Kriegs Stromrechnungen in ungeahnte Höhen. Da erscheint es wenig sinnvoll, energieintensive Rechner laufen zu lassen, um nach einer hoch volatilen Digitalwährung zu schürfen.

Anders sieht das das junge Tiroler Unternehmen 21energy. Der Name verweist auf die 21 Millionen Bitcoins, die es – in ferner Zukunft – maximal geben kann. "Energy" wiederum ist leichter verständlich. Worum es geht? Darum, die Abwärme von Mining-Rechnern für das Beheizen der eigenen vier Wände zu benutzen – und dabei eben Geld in Form von Bitcoins zu verdienen. Nicht über große Mining-Farmen, sondern vor Ort, im eigenen Wohnzimmer: Ein Heizstrahler, der nicht nur Strom verbraucht, sondern auch Geld verdient.

"Wir wollen nichts schönrechnen"

In wenigen Tagen sollen die ersten Exemplare aus der Innsbrucker Krypto-Ofenschmiede auf den Markt kommen. 2.000 Watt Wärmeleistung und 99 Prozent Wirkungsgrad versprechen die Unternehmer Maximilian Obwexer und Peter Taschler, die hinter dem Bitcoin Heater stehen. Mit 41 Dezibel soll er leiser sein als elektrische Heizlüfter. Ein Einfamilienhaus mit 120 Quadratmetern Wohnfläche soll sich mit zwei Geräten – zu je 980 Euro – bequem und per App steuerbar heizen lassen. Und das alles auch noch mit weniger Kosten und CO2-Ausstoß als bei einer Öl- oder Gasheizung. Wie geht das?

"Was wir nicht machen wollen, ist, irgendetwas schönzurechnen. Es gibt sehr viele Haushalte, für die sich der Heater rentiert, es gibt aber auch sehr viele, für die sich's nicht rentiert", räumt Firmengründer Obwexer im Gespräch mit dem STANDARD ein. Ob sich's rentiert, ist jedenfalls eine komplexe Frage, die Interessenten künftig mit einem Online-Rechner für sich klären können.

Bestandskunden des Tiroler Anbieters Tiwag zahlen – noch – einen relativ niedrigen Strompreis. In seinem Modell veranschlagt Obwexer 18 Cent pro Kilowattstunde. Im Vergleich zu einer Ölheizung lägen die Kosten damit niedriger. Für Neukunden der Tiwag liegt der Arbeitspreis mittlerweile aber bei 45 Cent, ähnlich wie im Osten Österreichs. Unter diesen Umständen zahlt sich ein Umstieg von Öl oder Gas keineswegs aus (mögliche Einsparungen durch den Strompreisdeckel nicht eingerechnet).

Mining derzeit wenig profitabel

Nicht einmal dann, wenn man von den Heizkosten noch die geschürften Satoshis (ein Bitcoin entspricht 100 Millionen Satoshis) abzieht. Deren Wert und Zahl hängt vom Kurs des Bitcoins und der Zahl der aktiven Miner weltweit ab, aus der sich die Mining-Profitability ergibt. Die im Bitcoin Heater verbauten Bitmain Antminer S9 können jedenfalls 22 bis 24 Terahash Berechnungen pro Sekunde durchführen. Das könnte – wenn man sich einem Mining-Pool anschließt – für Einkünfte von etwa 2,1 Millionen Satoshi pro Heater und Jahr reichen, erklärt Obwexer. Aktuell wären das rund 340 Euro. Bei dieser Rechnung ist bereits berücksichtigt, dass die Prozessoren nur im Winter und in der Übergangszeit laufen, wenn tatsächlicher Heizbedarf besteht. Derzeit ist die Profitabilität des Minings jedoch sehr gering. Aber: "Viele große Bitcoin-Miner kapitulieren gerade. Wir gehen davon aus, dass die Mining-Profitability wieder steigen wird."

"No-Brainer"

Für Menschen, die ohnehin mit Strom heizen – in Österreich sind das knapp sieben Prozent – sei der Bitcoin Heater ein "No-Brainer", findet Obwexer. Ihre Stromkosten blieben beim Umstieg gleich. Dazu kämen aber die Einnahmen aus dem Mining. Verbessern würden sich gegenüber Öl oder Gas jedenfalls die CO2-Emissionen. Das liegt am Strommix in Österreich, der sich zu rund 80 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern speist. Bei manchen Anbietern sind es sogar 100 Prozent.

Noch ist der Bitcoin Heater in den Kinderschuhen, gesteht Gründer Maximilian Obwexer. Ein paar Dutzend Vorbestellungen gebe es bereits. Man hoffe auf erste Auslieferungen in den kommenden Wochen, wenn alle Prüfstellen durchlaufen seien. Auf ein Absatzziel für das erste Jahr will sich der Eigentümer einer Werbeagentur, der zuvor als Bautechniker unter anderem beim Bau von Wasserkraftwerken im Einsatz war, nicht einlassen. Es gebe Produktionskapazitäten von mehreren Hundert Stück pro Woche.

Ein Prototyp der Bitcoin-Heizung. Die Endversion wird etwas anders aussehen.
Foto: 21energy

Durchklingen lässt Obwexer jedenfalls, dass man bei 21energy nicht nur auf den österreichische Markt und schon gar nicht nur auf eingefleischte Bitcoin-Insider setzt. In Frankreich würden etwa zehn Millionen Haushalte mit Strom heizen, für die sich sein Gerät lohnen könne. Der Markt ist allerdings erst im Entstehen, auch wenn es mit Produkten wie Heat-Bit, Bit-Heater oder Alpmine international bereits Konkurrenz gibt. In späteren Entwicklungsstufen soll sich der Tiroler Heater auch in Smart Homes integrieren lassen. Schon jetzt gibt es übrigens eine Mietoption. Da bekommen Kundinnen und Kunden das Gerät kostenlos zur Verfügung gestellt, die Satoshis gehen dafür an 21energy.

Forschung sieht hohes Potenzial bei Serverabwärme

Spannend findet den Ansatz David Wöss vom Institut für Verfahrens- und Energietechnik der Boku in Wien, den DER STANDARD für eine Einschätzung angefragt hat. Die effizienteste Form, Abwärme zum Heizen zu nutzen, sei der Heater allerdings nicht. Die Bitcoin-Heizung wandelt nämlich wie ein Heizstrahler die Menge an Strom, die sie verbraucht, in dieselbe Menge an Heizenergie um. Über eine Wärmepumpe ließe sich theoretisch das Zehnfache an thermischer Energie aus derselben Menge an Strom gewinnen. "Das ist aber im kleinen Rahmen oft schwierig zu verwirklichen.'' Zudem liegen die Anschaffungskosten dann weitaus höher.

Sinnvoll wäre es freilich, große Serveranlagen zu Heizzwecken heranzuziehen – sinnvoller jedenfalls, als die Rechner mit zusätzlichem Strom-Input zu kühlen. Hier müsste – auch abseits vom Bitcoin-Mining – mehr in die Gänge kommen, so Wöss. Was große Mining-Farmen betrifft zeigt sich der Boku-Forscher jedoch wenig optimistisch: "Leider stehen die Rechner meist dort, wo die Energie recht billig ist. Und das ist selten dort, wo man die Abwärme wirklich benötigt." (Michael Windisch, 10.12.2022)