Johanna Mikl-Leitner will ihr Amt als Landeshauptfrau von Niederösterreich verteidigen. Nun gibt es eine anonyme Anzeige, weil vermutet wird, dass über parteinahe Medien Gelder an die Partei geflossen seien.

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Die Schlagkraft der niederösterreichischen Volkspartei ist legendär. Selbst in der hintersten Ecke des flächigen Bundeslandes sitzt irgendwo ein schwarzer Funktionär, der im Fall der Fälle für seine Partei mobilisiert. In der St. Pöltner Zentrale schieben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereitwillig Überstunden, wenn es darauf ankommt. Und auch finanziell kann die Partei von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner aus dem Vollen schöpfen. Die offizielle Kampagne vor der Landtagswahl am 29. Jänner soll nur drei Wochen dauern – die Wahlkampfkostengrenze von sechs Millionen Euro wird die niederösterreichische Volkspartei dennoch ausschöpfen.

Anonyme Anzeige

Kann man auf sauberem Weg zu so viel Macht kommen? Die übrigen Parteien im niederösterreichischen Landtag glauben: Nein. Sie vermuten, dass Unternehmen im Eigentum des Landes Geld zur ÖVP schleusen. Geld, das eigentlich der öffentlichen Hand gehört – und das nicht bei einer Partei landen sollte. Das Firmengeflecht des Landes ist groß. Genauso wie das Mediengeflecht der Partei. Die Teilorganisationen der Volkspartei geben Zeitschriften heraus, in denen inseriert werden kann. Das vermutete Konstrukt: Inserate von vielen Firmen an viele Parteimedien fallen im Alltag kaum auf – bringen der Partei in Summe aber viel Geld. Die Volkspartei bestreitet all diese Vorwürfe vehement.

Zuletzt wurde die Anschuldigung in einer anonymen Anzeige erhoben, über die das Onlineportal Zackzack am Mittwoch berichtete. EVN, Hypo Niederösterreich und die Landesgesundheitsagentur hätten überteuerte Inserate in parteinahen Medien geschaltet. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien bestätigte dem STANDARD, dass in der Sache ermittelt werde. Die Hypo Niederösterreich erklärt auf Anfrage, alle Inserate würden von einer "unabhängigen, international tätigen Mediaagentur" zu üblichen Preisen gebucht. Die Landesgesundheitsagentur will anonyme Anzeigen generell nicht kommentieren, die EVN wegen der laufenden Prüfung des Landesrechnungshofs keine Stellung nehmen.

Anonymisierte Berichte

Denn auch abseits strafrechtlich relevanter Vorgänge werden die Inseratengeschäfte des Landes und seiner Firmen geprüft: SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos haben den Landesrechnungshof (LRH) mit einer Sonderprüfung zahlreicher Landesunternehmen beauftragt. Am Dienstag erhielt die Landesregierung die ersten Ergebnisse, die auch dem STANDARD und dem Nachrichtenmagazin Profil vorliegen. Wer sich nun endlich Transparenz erwartet, wird enttäuscht: Geprüft wurden die Familienland GmbH, die Radland GmbH und die Landesgesundheitsagentur – dort bündelt das Land alle Krankenhäuser und Pflegeheime. Wie viel Geld von diesen Stellen an Parteimedien gegangen ist? Der Bericht verrät es nicht. Die mit Landesinseraten gesegneten Medien wurden anonymisiert: Zwar enthält der Bericht die Namen der Zeitschriften und die geflossenen Summen. Doch verknüpft werden die Informationen nicht. Der LRH begründet das mit der Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen. Das werde auch bei jenen Unternehmen so sein, deren Prüfergebnis noch aussteht – etwa EVN und Hypo.

Dass Geld der öffentlichen Hand in den Medien regierender Parteien landet, ist freilich kein neues Phänomen – und an sich auch nicht illegal.

In Oberösterreich wird nach wie vor gerne das Landesfüllhorn über Österreichs letzte Parteizeitung, das Oberösterreichische Volksblatt, ausgeschüttet. Getreu dem Zitat von Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer, der dereinst in einem Interview meinte: "Wer uns unterstützen will, kann im Volksblatt inserieren." Was sowohl das Land als auch andere öffentliche Stellen, trotz stetig anhaltender Kritik etwa der politischen Mitbewerber und auch des Landesrechnungshofs, kräftig tun: Die Medientransparenzdatenbank weist alleine für das Vorjahr ein Inseratenvolumen von fast einer Million Euro aus. 413.000 Euro davon kamen vom Land Oberösterreich.

"Anpatzversuche" im Burgenland

Die Inseratenvergabe durch das Land ist auch im Burgenland immer wieder Thema. Im Mai des Jahres forderte die ÖVP mehr Transparenz bei der Inseratenvergabe durch die Landesregierung und landesnahe Betriebe und ein Kopfverbot. Die SPÖ erkannte darin einen "Anpatzversuch", mit dem die "ÖVP von ihrer eigenen Inseratenaffäre ablenken" will. Sie rechnete vor, dass Landeshauptmann Hans Peter Doskozil in der März-Ausgabe der Landeszeitung Mein Burgenland dreimal abgebildet sei, der Eisenstädter Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Thomas Steiner (ÖVP) im Amtsblatt der Landeshauptstadt im Juni hingegen 35-mal.

Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat kam nach einer Anzeige zum Schluss, dass er keinen Anlass sehe, in der Causa tätig zu werden. Im November forderte die grüne Klubobfrau Regina Petrik in einer Anfrage Transparenz bei Medienkooperationen. In der SPÖ gibt man sich wenig aufgeregt. Aus dem Büro Doskozil heißt es dazu: "Es gibt keine Inseratenvergabe an parteinahe Medien, weil es keine parteinahen Medien gibt." Und SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst sagt: "Die ÖVP muss zur Kenntnis nehmen, dass nicht jede Partei so ist wie sie, siehe Inseratenskandal des ÖVP-Wirtschaftsbundes in Vorarlberg."

ÖFB-SPÖ-Konnex in Wien

In Wien beschäftigt den Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) eine Inseratenaffäre. Dessen Präsident Gerhard Milletich sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, sein Ehrenamt beim ÖFB für das Gewinnen von Anzeigenkunden für sein Verlagshaus genutzt zu haben. Der Burgenländer Milletich ist Geschäftsführer des Bohmann-Verlags, dem eine SPÖ-Nähe nachgesagt wird, und soll laut Kurier bei zumindest sieben Partnern und Sponsoren des ÖFB um Einschaltungen in seinen Magazinen geworben haben. Milletich weist die Vorwürfe zurück, zu den Firmen hätte er schon vor seinem Amtsantritt beim ÖFB Geschäftsbeziehungen gepflegt. Am Donnerstag wurde bekannt, dass das Ethikkomitee der Fußball-Bundesliga die Vorwürfe prüfen werde – damit kommt der ÖFB einem Wunsch von Sportminister Werner Kogler (Grüne) nach. Ergebnisse sollen im Jänner vorliegen.

In Niederösterreich wird das Thema Inserate aktuell am heißesten gekocht – dass das im Wahlkampf passiert, ist kein Zufall. Für Johanna Mikl-Leitner geht es um die Verteidigung ihres Amtes als Landeshauptfrau. Und um den Erhalt der Schlagkraft ihrer Partei. (Sebastian Fellner, Guido Gluschitsch, Markus Rohrhofer, Sandra Schieder, 10.12.2022)