Die rote Karte, die Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gegen die Schengen-Erweiterung um Bulgarien und Rumänien gezückt hat, stößt bei österreichischen Unternehmen mit Interessen ebendort auf Unverständnis. Nicht nur Frust, auch Angst vor einer nachhaltigen Beschädigung der Wirtschaftsbeziehungen macht sich breit, zumal es schon Aufrufe zum Boykott österreichischer Unternehmen gibt. Vor allem in Rumänien ist die Stimmung gereizt.

Pfanner erzielt in Rumänien zehn Prozent seines Umsatzes.
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"Viele Rumänen werten das Vorgehen Österreichs als persönlichen Angriff", sagt Peter Pfanner. Der Vorarlberger Fruchtsafthersteller, der in Rumänien 100 Beschäftigte hat, berichtet von einer aufgebrachten Stimmung im Land gegen Österreich. "Die Rumänen sind ein stolzes Volk. Sie sehen sich als Teil der europäischen Familie und nicht als Europäer zweiter Klasse."

Er habe Verständnis, dass die österreichische Regierung Maßnahmen gegen illegale Schlepper setzen wolle. Ob Schengen dafür das richtige Instrument sei, könne er, Pfanner, nicht beurteilen. Die politische Kommunikation habe jedenfalls versagt. Österreich rühme sich immer, Fürsprecher osteuropäischer Länder zu sein. "So geht man mit Partnern nicht um."

Pfanner erzielt in Rumänien zehn Prozent seines Umsatzes. Kleinere Händler hätten seine Getränke aus den Regalen geworfen. Ob sich der Boykott auswachse, sei offen.

Gelassen reagiert XXXLutz auf Kampagnen gegen österreichische Marken. "Konsumenten lassen sich nicht politisieren, vor allem nicht, wenn es ums Einkaufen geht", ist Sprecher Thomas Saliger überzeugt. Der Einrichtungskonzern aus Wels ist mit zwei Lutz- und zwei Mömax-Häusern in Rumänien vertreten.

44 Filialen führt der Sporthändler Hervis dort. Ob der Aufruf, österreichische Labels zu meiden, tatsächlich Wirkung zeige, bleibe abzuwarten, heißt es bei Spar Österreich, unter deren Dach Hervis arbeitet. Zugleich werde versucht, über Handelsverband und Wirtschaftskammer die Sache zu befrieden.

Nicht ganz auf dem letzten Stand

Red Bull landete ebenso auf der Liste der neuen rumänischen Feindbilder wie Swarovski und Julius Meinl. Nicht ganz auf dem letzten Stand waren jene, die zum Boykott aufriefen, was Marken wie Billa und Baumax betrifft. Rewe Österreich verkaufte Billa Rumänien bereits 2015 an den französischen Handelsriesen Carrefour. Der Diskonter Penny wird von Rewe Deutschland geführt. Baumax trennte sich 2014 von seinen rumänischen Filialen – ein Jahr bevor das gesamte Unternehmen zerschlagen wurde.

Auch Österreichs Banken sind stark in Rumänien vertreten – und mit Boykottaufrufen konfrontiert. Nachdem Erste-Bank-Chef Willibald Cernko seinen Unmut über das Veto kurz nach Bekanntwerden Donnerstagabend in einem Linkedin-Eintrag kundgetan hatte, legte Raiffeisen International (RBI) am Freitag diplomatisch nach. "Wir bedauern diese Situation, sind aber zuversichtlich, dass es den beteiligten Akteuren rasch gelingen wird, offene Fragen vertrauensvoll, faktenbasiert und ergebnisorientiert zu klären", ließ die Bank in einer schriftlichen Stellungnahme wissen.

Der Versicherungskonzern Uniqa spricht von einer "Entscheidung auf politischer Ebene". Man hoffe "im Sinne Rumäniens und Österreichs, aber auch der gesamten Europäischen Union, dass möglichst rasch ein gemeinsamer Fahrplan für Lösungen zu den derzeitigen politischen Problemen gefunden wird", teilte das Unternehmen auf Anfrage mit.

Für den Baukonzern Strabag sind Rumänien und Bulgarien "Teil unseres europäischen Kernmarkts. Wir sind vom wirtschaftlichen Potenzial dieser Länder überzeugt und sehen, dass sie sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt haben. In diesem Sinne hoffen wir darauf, dass sich dieser Fortschritt in naher Zukunft auch in Form einer weiteren europäischen Integration widerspiegelt", ließ das Unternehmen wissen.

Innenminister Karner spricht sich gegen die Schengen-Erweiterung um Bulgarien und Rumänien aus.
DER STANDARD

Kritischer Zeitpunkt für OMV

Speziell für die OMV kommt die Verhärtung der politischen Fronten zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Seit längerem schon versucht der teilstaatliche Konzern, der mit der Mehrheitsübernahme des rumänischen Öl- und Gaskonzerns Petrom 2004 einen veritablen Coup gelandet hat, in Verhandlungen mit den zuständigen Stellen in Bukarest möglichst attraktive Bedingungen für die geplante Entwicklung von "Neptun Deep" zu bekommen.

Bei Neptun Deep handelt es sich um eines der größten Gasfelder Europas, das aber schwierig zu entwickeln ist, weil in großer Tiefe im Schwarzen Meer befindlich. Bis Mitte 2023 will man entscheiden, ob man gemeinsam mit Romgaz als Hälftepartner vier Milliarden Euro in das Projekt investieren soll.

"Uns ist alles willkommen, was die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern erleichtert", sagte OMV-Sprecher Andreas Rinofner. (Alexander Hahn, Verena Kainrath, Günther Strobl, 10.12.2022)