Die Anschuldigungen gegen die griechische Pasok-Abgeordnete und Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili, haben schon am Wochenende Brüssel beschäftigt.

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Brüssel – Wegen des Korruptionsskandals im Europaparlament hat die belgische Justiz Haftbefehl gegen vier Verdächtige erlassen. "Sie werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt", teilte die Staatsanwaltschaft am Sonntag in Brüssel mit. Wie aus Justizkreisen verlautete, gehört auch Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili dazu. Laut der Staatsanwaltschaft wurde am Sonntag die Wohnung eines weiteren EU-Abgeordneten durchsucht.

Kaili war am Freitag festgenommen worden. Hintergrund ist einer der größten Korruptionsskandale in der Geschichte des EU-Parlaments. Es geht um Ermittlungen wegen mutmaßlicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fußball-WM. Am Freitag gab es deswegen mindestens 16 Durchsuchungen und übers Wochenende sechs Festnahmen. Zwei Festgenommene wurden vom U-Haft-Richter wieder freigelassen.

Informelles Treffen am Montag

Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, berief die Fraktionsvorsitzenden für Montagnachmittag zu einem informellen Treffen ein. Wie die Nachrichtenagentur AFP am Sonntag aus Parlamentskreisen erfuhr, soll es bei dem Treffen mit den Chefs der Parlamentsfraktionen "um Kailis Absetzung und weitere Schritte" gehen.

Die belgische Polizei hatte am Freitag Kaili, ihren ebenfalls im EU-Parlament tätigen Lebensgefährten sowie drei weitere Menschen wegen des Verdachts der "bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche" festgenommen. Bei den Razzien beschlagnahmte die Polizei laut belgischer Bundesstaatsanwaltschaft Bargeld in Höhe von rund 600.000 Euro sowie Datenträger und Mobiltelefone. Nach Informationen der belgischen Zeitung "L'Echo" hatten die Ermittler "mehrere Säcke voller Geldscheine" in Kailis Wohnung gefunden.

Die Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili, hielt am 21. November eine Rede im Europaparlament zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Darin erklärte sie, dass Katar im Rahmen der Fußball-WM bei Arbeitsrechten eine Vorreiterrolle gespielt habe. Quelle: Europäisches Parlament
DER STANDARD

Festgenommen wurde auch ein ehemaliger sozialdemokratischer Europa-Abgeordneter aus Italien, Antonio Panzeri. Wie die Zeitung "Le Soir" und das Magazin "Knack" am Sonntag berichteten, kamen dieser ebenfalls in U-Haft. Am Samstagabend wurde das Haus eines weiteren Europaabgeordneten durchsucht. Medienberichten zufolge handelt es sich um den belgischen Sozialdemokraten Marc Tarabella. Seine Partei teilte am Sonntagabend mit, Tarabella vor ein parteiinternes Gremium zitiert zu haben.

Erste Konsquenzen für Kaili

Als Reaktion entzog Metsola Kaili am Samstag alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben als eine der 14 stellvertretenden Präsidentinnen und Präsidenten des EU-Parlaments. Über Kailis Absetzung können nur die EU-Parlamentarier gemeinsam entscheiden. Dies dürfte aber trotz der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit wohl nur noch eine Formsache sein. So kündigte etwa die deutsche EP-Vizepräsidentin Katarina Barley am Sonntag an, dass die sozialdemokratische Fraktion die Abwahl Kailis beantragen werde. Als Fraktionsmitglied war die griechische Sozialistin bereits suspendiert worden.

Auch der österreichische EP-Vizepräsident Othmar Karas (ÖVP) betonte, dass Kaili ihr Amt entzogen werden solle. ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig stellte sogar den Abgeordnetensitz der Griechin zur Disposition. "Sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten, darf sie auch nicht weiter als Abgeordnete des Hauses tätig sein", teilte Winzig am Sonntag mit.

Katar-Reise abgesagt

Wegen des Korruptionsskandals wurden Rufe nach weiteren Konsequenzen laut. So sprachen sich Grüne, Linksfraktion und die Sozialdemokraten dafür aus, die Verhandlungen über Visa-Erleichterungen für Bürger Katars aufzuschieben, die eigentlich am Montag beginnen sollten.

Ein Sprecher des EU-Parlaments bestätigte AFP am Sonntag, dass eine geplante Katar-Reise von Europaabgeordneten des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten "wegen der derzeitigen Umstände" abgesagt werde. In zwei Wochen hätte eine Gruppe von Abgeordneten nach Katar und Saudi-Arabien reisen sollen. Die Reise nach Saudi-Arabien soll wie geplant stattfinden. (APA, 11.12.2022)