Die Telekombranche will die Kosten für den Netzausbau zumindest teilweise auslagern.

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Ursprünglich war es eine Idee der Telekombranche, dass Tech-Konzerne wie Netflix, Amazon und Google für den Netzausbau bezahlen sollen. Laut einer im Mai veröffentlichten Studie der Lobbygruppe ETNO könne ein monetärer Beitrag ebendieser für ein massives Wirtschaftswachstum der EU sorgen. Gerechtfertigt sei das umstrittene Vorhaben deshalb, weil Big Tech für mehr als die Hälfte des gesamten Datenverkehrs verantwortlich sei – aber keinen Beitrag zur Instandhaltung der Netze leiste.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Digitalkommissar Thierry Breton äußerten sich schon im Frühjahr positiv zu den Forderungen. Eine Position, der sich wenig später auch der EU-Rat anschloss. Nun könnte ein konkreter Gesetzesvorschlag folgen. Laut dem "Handelsblatt" wird der Startschuss für das Gesetzgebungsverfahren noch vor Weihnachten erwartet. 2023 könne dann ein konkreter Entwurf vorliegen. Trotz massiver Kritik von Datenschützern und der EU-Regulierungsbehörde BEREC kann die Telekombranche also einen Etappensieg feiern.

Fairer Beitrag

Die Argumentation sieht dabei folgendermaßen aus: Die größten Digitalkonzerne würden mit ihrem Datenverkehr jährlich Kosten von bis zu 40 Milliarden Euro generieren, schreibt die Deutsche Telekom als ETNO-Mitglied. Es sei deshalb eine Frage der Fairness, dass sie einen Beitrag zum dringend notwendigen Netzausbau leisten. Man müsse "einen ausgewogenen Rahmen" schaffen, "der Verhandlungen auf Augenhöhe zwischen den großen Internet- und den europäischen Telekommunikationsunternehmen sichert". Das sehen nicht alle so.

Zum Beispiel hält BEREC in einer vorläufigen Bewertung fest, keine Beweise dafür gefunden zu haben, "dass ein solcher Mechanismus angesichts der derzeitigen Marktlage gerechtfertigt ist". Viel mehr könne eine entsprechende "Veränderung dem Ökosystem Internet erheblich schaden". Für den Datenverkehr seien außerdem nicht Netflix und Co verantwortlich, sondern die Kundinnen und Kunden der Telekomunternehmen. Die steigende Nachfrage nach datenhungrigen Streamingdiensten würde erst für anhaltendes Interesse an schnellen Breitgangzugängen sorgen. Der STANDARD berichtete.

Ähnlich sieht es auch der tschechische Digitalisierungsminister Ivan Bartoš. Die Infrastruktur sei laut ihm "ohnehin vorhanden, also sollte sie jede Art von Daten übertragen", erklärte er im STANDARD-Interview. Es sei nicht fair, dass die Telekom-Branche von Politikern eine Umgestaltung des Marktes verlangen, wenn es keinen Grund dafür gebe. Die Unternehmen sollten stattdessen miteinander konkurrieren und einen besseren Service anbieten.

Gefahr für das freie Internet

Datenschützer fürchten unterdessen um die Netzneutralität. Diese wurde bereits 2015 gesetzlich verankert und hat das Ziel, allen Menschen einen diskriminierungsfreien Zugang zum Internet zu garantieren. Laut der österreichischen Grundrechtsorganisation Epicenter Works bedeute das, dass Telekomfirmen den Datenverkehr weder verlangsamen, blocken oder gegen Zusatzzahlungen beschleunigen dürfen. Ein Grundsatz, der durch eine Datenmaut gefährdet werden könne.

Diese würde ermöglichen, sowohl bei den eigenen Kunden als auch bei den betroffenen Konzernen abzukassieren. Letztere dürften ihre Mehrkosten schlussendlich auf Konsumentinnen und Konsumenten abwälzen.

Ob das Vorhaben trotz der vehementen Kritik erfolgreich sein kann, bleibt abzuwarten. Eine mögliche Motivation der EU-Kommission dürfte jedenfalls das Versprechen sein, bis 2030 einen Breitbandanschluss für alle zu ermöglichen. Ein Vorhaben, das mit finanzieller Unterstützung von Big Tech beschleunigt werden könnte. (mick, 11.12.2022)