Mit der Akquise der Fußball-WM hat das Emirat Katar einen Riesenerfolg eingefahren.

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Das kleine, stinkreiche Emirat Katar hat im Grunde das erfunden, was heute auch andere Golfstaaten machen: viel Geld und Diplomatie in Imagepflege und internationale Vernetzung investieren. Und auch wenn diese Strategie strafrechtliche Grenzen nicht prinzipiell überschreiten muss, stößt sie schnell einmal an das, was in Europa als ethisches No-Go gelten sollte.

Aber warum macht Katar das, und warum riskiert das Regime so viel, nachdem es mit der Akquise der Fußball-WM einen Riesenerfolg einfuhr? Die Antwort liegt in der Zeitgeschichte. Was auf der Landkarte wie ein Wurmfortsatz der Arabischen Halbinsel aussieht, war nach seiner Unabhängigkeit von Großbritannien und nachdem es das Zusammengehen mit anderen Golfemiraten abgelehnt hatte, politisch und ideologisch völlig an Saudi-Arabien orientiert. Mit einem familieninternen Putsch des Vaters des heutigen Emirs 1995 änderte sich das. Seit einem gescheiterten Gegenputsch im Jahr darauf, hinter dem die Saudis vermutet wurden (wohl zu Recht), ging es darum, Katar auf der Landkarte und Emir Hamad bin Khalifa Al Thani im Sessel zu halten. Die Unabhängigkeit von Riad trommeln: Das ist im Wesentlichen das Ziel der katarischen Politik seit damals. Geld war genug da, um das zu finanzieren, inklusive offizieller und inoffizieller Lobbyisten.

Den Saudis ging das mächtig auf die Nerven: Sie mögen bereut haben, den Wurmfortsatz nicht geschluckt zu haben, als es noch ging. Genervt war auch der in den letzten Jahren strategisch aufsteigende regionale Nachbar Vereinigte Arabische Emirate (VAE). Aus dem Ärger wurde eine veritable Krise, als Katar 2011 – wieder einmal anders als die anderen Staaten des arabischen Golf-Kooperationsrats – die Revolutionen in Tunesien und in Ägypten unterstützte: und damit die Muslimbrüder. Das zunächst als erster arabischer Nachrichtensender gefeierte Al Jazeera war zur Heimstatt des einflussreichsten islamischen TV-Predigers, des ägyptischen Muslimbruders Yusuf al-Qaradawi, geworden.

Die große Krise 2017

Al Jazeera tat sich zudem mit Kritik an den anderen Golfmonarchien hervor, nur die eigene blieb tabu. Auch die Freundschaft mit der Muslimbrüder-freundlichen Türkei wurde ausgebaut, sie hat eine kleine Militärbasis in Katar. Eine Attacke auf die Integration der arabischen Golfstaaten, so sahen es Riad und Abu Dhabi. Die Dauerkrise mündete 2017 in einen Boykott durch Saudi-Arabien, VAE, Bahrain – das völlig unter saudischer Fuchtel steht – und Ägypten unter dem Muslimbrüder-feindlichen Regime von Abdelfattah al-Sisi.

Auf der Forderungsliste des "Quartetts" stand sogar die Auflösung Al Jazeeras. Stattdessen löste sich 2021 der Boykott selbst auf, mehr oder weniger ohne Resultat. Die ebenfalls beanstandeten Beziehungen Katars zum Iran waren wirtschaftlich noch enger geworden.

Man kann das als Erfolg der katarischen Politik verbuchen. Dazu gehört, dass die USA Doha 2022 den Status als "Major non-Nato ally" verliehen – wichtiger Alliierter außerhalb der Nato. Die USA unterhalten in Katar ihre größte Luftwaffenbasis in der Region.

Die Mittel Katars sind bekannt: weltweit in alles investieren, was man erwischen kann (Sport, Kultur, Immobilien, Industrie), Institutionen und Unternehmen nach Katar bringen, Profilierung als "arabisches Genf". Die Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban fanden in Doha statt, Katar ist Dauervermittler zwischen Israel und Hamas. Die mächtigen Männer Saudi-Arabiens und der VAE, Mohammed bin Salman und Mohammed bin Zayed, besuchten, seit die WM läuft, Katar. Für europäische Politiker wird das nun etwas schwieriger. (Gudrun Harrer, 11.12.2022)