Migranten an der serbisch-rumänischen Grenze: Die EU-Kommission wollte, dass diese Grenze ab 1. Jänner auch eine Schengen-Außengrenze ist. Österreichs Nein hat dies verhindert.

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Österreich raus aus Rumänien – Austria afara din Romania! steht auf einem Zettel, der an das Fenster einer Raiffeisen-Bank in Rumänien geklebt wurde. Das österreichische Votum gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens lässt in dem osteuropäischen Staat noch immer die Wogen hochgehen. Obwohl es auch Kritik aus der österreichischen Wirtschaft gibt, verteidigte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Sonntag in der ORF-Pressestunde das Veto gegen die Schengen-Mitgliedschaft von Rumänien und Bulgarien. Man dürfe wirtschafts- und sicherheitspolitische Fragen nicht vermischen, es sei "klar eine Frage der Sicherheit für Österreich", sagte Nehammer.

EU-Außengrenzen

Auch der Hinweis, dass viele Rumäninnen und Rumänen hochbetagte Menschen in Österreich pflegen und diesen die Einreise weiter erschwert würde, ließ der Kanzler nicht gelten: Wenn der Schutz der EU-Außengrenzen nicht funktioniere, könne man auch die Innengrenzen nicht öffnen. Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stellte sich hinter das Vorgehen von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), anders als ihr Parteifreund, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Die Grünen, Koalitionspartner der ÖVP, sind ebenso wie die Neos gegen das Veto. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen bedauerte, wie berichtet, das Veto "außerordentlich", was wiederum FPÖ-Chef Herbert Kickl scharf kritisierte.

Aufruf zum Boykott

In Rumänien wird indes in sozialen Medien zum Boykott sämtlicher österreichischer Firmen aufgerufen. Selbst das Schild, das auf das österreichische Botschaftsgebäude in Bukarest hinweist, wurde abmontiert. Der Groll ist nicht ganz neu. In den vergangenen Jahren gab es oft Kritik daran, dass auch österreichische Firmen an der Abholzung rumänischer Urwälder beteiligt sind.

Auf der politischen Ebene sorgt nun vor allem die Protestnote des rumänischen Nationalen Audiovisuellen Rats (CNA), der für die Einhaltung der Meinungsfreiheit zuständig ist, an die österreichische Botschaft für Aufmerksamkeit.

Der CNA missbilligte den Umgang des österreichischen Innenministers mit rumänischen Journalisten am 8. Dezember nach der Entscheidung. Karner hielt demnach die rumänischen Journalisten mithilfe seiner Leibwächter auf Distanz, während er anderen Medienleuten Interviews gab.

"Pressefreiheit als Grundwert"

Egal wie schwierig ein politischer Moment sei, die Presse müsse die Möglichkeit haben, sich an Amtsträger zu wenden, so der CNA. "Die Entfernung rumänischer Journalisten ist eine Geste, die nichts mit demokratischen Werten zu tun hat und nicht mit dem übereinstimmt, was Pressefreiheit als Grundwert der EU bedeutet", so die Erklärung.

Die Kritik zeigt, dass man sich in Rumänien insgesamt von Österreich hintergangen fühlt. Mit einem Veto gegen den Schengen-Beitritt hatte man nämlich nicht gerechnet. Laut dem rumänischen Innenministerium hat Karner noch im Februar 2022 seine Zustimmung zum Schengen-Beitritt geäußert. Am 16. November wurde dies in einer gemeinsamen Erklärung der Innenminister beim Salzburg-Forum in Bukarest nochmals bestätigt.

Karner wurde sogar noch als Redner am 1. Dezember in die rumänische Botschaft in Wien eingeladen (er sagte ab). Der Niederösterreicher hat auch Kontakte ins Land, so ist er seit Jänner 2022 Präsident des Vereins Auro Danubia, der Waisenkinder in Transsilvanien unterstützt.

Doch am 18. November drehte sich plötzlich die Haltung. Karner gab bekannt, dass Österreich wegen der Asylanträge gegen jegliche Erweiterung des Schengen-Raums sei. Ein paar Tage später sagte Nehammer, Kroatien dürfe doch in den Schengen-Raum – schließlich will Österreich Flüssiggas vom Terminal auf der Insel Krk importieren.

Doch das Veto gegen Rumänien und Bulgarien blieb. Politiker aus der Europäischen Volkspartei (EVP) versuchten daraufhin, Nehammer umzustimmen, zumal die wichtigste Migrationsroute gar nicht über Rumänien verläuft. Auch die österreichische Wirtschaftskammer intervenierte. Nichts half.

Aufnahme im Doppelpack

Die Niederlande schickten indes eine Evaluierungsmission nach Rumänien und sprachen sich danach ausdrücklich für den Beitritt des Landes aus. Bei der Abstimmung stellten die Niederlande klar, dass sie nur gegen die Aufnahme Bulgariens seien – die Zustimmung zu Rumänien wurde auch im Sitzungsprotokoll festgehalten. Das Votum über die beiden Staaten war allerdings gekoppelt, weil der Beitritt gemeinsam erfolgen sollte und nie daran gedacht war, zwischen Rumänien und Bulgarien eine Schengen-Außengrenze zu errichten. Dies erforderte nämlich noch technische und personelle Investitionen. (Colette M. Schmidt, Adelheid Wölfl, 12.12.2022)