Eine WC-Spülung ohne geschlossenen Deckel kann Sekunden danach eine eklige Partikelwolke wie diese in der Luft hinterlassen.
Foto: John Crimaldi, University of Colorado

Kürzlich erst hat sich die Wissenschaft auf die Suche nach der idealen Urinalform begeben, um zu verhindern, dass nicht alle Tröpfchen in dem dafür vorgesehenen Abfluss landen. Doch wie es scheint, gibt es in öffentlichen WCs zumindest in den USA noch ein weitaus größeres Problem als die vor allem für Reinigungskräfte lästige Urintröpfchendispersion: Wie ein Team um John Crimaldi (University of Colorado in Boulder) berichtet, geben WC-Spülungen ohne Deckel, wie sie etwa auf US-Flughäfen üblich sind, jede Menge potenziell krankmachender Aerosole direkt in die Luft ab.

Ganz neu sind die Erkenntnisse nicht: Bereits 2013 berichtete eine bahnbrechende Untersuchung darüber, dass bei Toiletten mit sogenanntem Flushometer, der Wasser besonders stark in Richtung Muschel presst, viel mehr feinste Tröpfchen an die Umgebung abgegeben werden als bei üblichen Toiletten mit Wasserkastenspülung. Nicht so ganz klar allerdings war bis jetzt, wie genau diese Verbreitung zustande kommt und wie die Wolke des Grauens genau aussieht.

Laserlicht erhellt Unangenehmes

Um diese Forschungslücke zu schließen, haben John Crimaldi und sein Team spezielle Laser auf eine WC-Schüssel und ihre Umgebung gerichtet. Damit können die Partikelwolken, die aus der Schüssel aufsteigen, sichtbar gemacht, die Zahl der Aerosole gemessen und deren Ausbreitung analysiert werden.

Was nach der ersten solchen Spülung geschah, ließ die Forscher verstummen, erinnert sich Crimaldi im Magazin "Inverse": "Wir waren alle einfach nur fassungslos. Wir sahen diesen unglaublich energiereichen Partikelstrahl, der zur Decke hinaufschoss." Die Kollegen hätten einfach zu lachen angefangen und gesagt.: "Oh, mein Gott, das kann doch nicht wahr sein! Das passiert, wenn man eine Toilette spült?"

Ohne Deckel und ohne Worte.
The Conversation

Verbreitungsdauer bis zu eine Minute

Um das Grauen sichtbar zu machen, blitzten nach einer Spülung die fünf Nanosekunden langen Laserpulse alle 100 Millisekunden auf – ähnlich wie ein grünes Stroboskop. So konnten die Forschenden messen, wie sich die potenziell gefährliche Aerosolwolke entwickelte. Mit einem speziellen Algorithmus analysierten Crimaldi und sein Team zudem die Partikelgeschwindigkeiten in der Abluftfahne, die im ungüstigen Fall krankmachende Bakterien und Viren wie Sars-CoV-2 oder Clostridium difficile enthalten kann.

Wie die Fachleute in der Wissenschaftszeitschrift "Scientific Reports" schreiben, schoss die Wolke schnell nach oben und zurück in Richtung der Wand hinter der Toilette. Der dichteste Bereich der Wolke – der potenziell die höchste Konzentration möglicher Krankheitserreger enthält – stieg innerhalb von 5,5 Sekunden etwa einen Meter über der Toilettenschüssel auf, also genau in der Atemzone der meisten Menschen. Die Aerosole breiteten sich über 60 Sekunden weiter aus.

Was also ist zu tun?

Bleibt die Frage von diesseits des Atlantiks, warum öffentliche Toiletten in den USA nicht einfach einen Deckel haben? Denn das Schließen des Deckels vor der Spülung verringert die Abluftwolken einer Toilette erheblich. Ein solcher Deckel wäre aber eine weitere zu desinfizierende Oberfläche, die Menschen berühren können, was das Risiko einer fäkal-oralen Übertragung erhöht.

Crimaldi hofft jedenfalls, dass es aufgrund der neuen Studie zu Änderungen bei der Toilettengestaltung, dem Betrieb der Toiletten, den Sanitäranlagen und sogar der Belüftung kommt. Um die Hygiene zu verbessern, könne etwa eine Belüftung oberhalb der Abluftfahne eingebaut werden. Vielleicht auch eine UV-Desinfektion oder elektrostatische Abscheider, die Partikel durch elektrische Ladung entfernen. Es müsse jedenfalls dringend etwas getan werden, um die Hygiene in Gebäuden wie Schulen, Büros und Krankenhäusern zu verbessern, wo sich potenziell tödliche Krankheitserreger schnell verbreiten können. (Klaus Taschwer, 12.12.2022)