Windräder sollen trotz lokalen Widerstands errichtet werden.

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Dass Erneuerbare-Energie-Anlagen dringend benötigt werden, darüber herrscht weitgehend Einigkeit. Aber bei der Errichtung solcher Anlagen spießt es sich. Was zählt mehr? Erneuerbare Energie oder Naturschutz und Landschaftsbild? Und wer ist befugt, diese Entscheidungen zu treffen?

Sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene wird fiebrig nach Lösungen gesucht, um den Ausbau von Wind-, Wasser- und Solarkraft zu beschleunigen. Doch die österreichische Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungen-Gesetzes (UVP-G) ist zumindest für dieses Jahr gescheitert. Wie seit letzter Woche bekannt ist, wird sich die türkis-grüne Koalition nicht einig. Einer der Knackpunkte ist die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Der Entwurf der UVP-G-Novelle sieht vor, dass Windenergie künftig nicht mehr durch fehlende oder mangelhafte Energieraumplanung verhindert werden kann. Hat ein Bundesland Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen, sollen die Anlagen künftig sofort beantragt werden können – auch wenn die Flächenwidmung der Gemeinde fehlt. In Bundesländern, in denen es keine Energieraumplanung gibt, gilt dasselbe, wenn die jeweilige Gemeinde zustimmt. Das betrifft vor allem Vorarlberg, Tirol und Salzburg.

Der Bundesgesetzgeber greift damit in Kernkompetenzen der Gemeinden und Länder sein. Dies erscheint auf den ersten Blick als drastische und wohl verfassungswidrige Maßnahme. Im Rahmen der Begutachtung zur Novelle waren es deshalb vor allem Gemeinden und Länder, die sich gegen den Entzug der ihnen verfassungsrechtlich zustehenden Kompetenzen gewehrt haben.

Gilt nur für Windkraft

Die rechtliche Praxis der letzten Jahre bzw. die Handhabung der "Raumordnungsherrschaft" mancher Gemeinden zeigt jedoch Handlungsbedarf. Denn während sich einige Gemeinden als Vorreiter sehen, stehen andere bei Erzeugungsanlagen für erneuerbare Energie auf der Bremse und verweisen auf Landschaftsbild, Sichtachsen oder Naturschutz.

Die mögliche Reform der Energie-Raumplanung betrifft nur Windräder, die UVP-pflichtig sind. Für andere Energieformen ist dagegen keine Erleichterung geplant. So sind etwa Wasserkraftanlagen nicht erfasst, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass diese keinen oder kaum Flächenbedarf haben, obwohl die technische Praxis insbesondere bei Großanlagen ein anderes Bild zeigt. Bei Photovoltaikanlagen ist die Klassifizierung noch komplexer.

Auch wenn Photovoltaikanlagen nicht in den Geltungsbereich des UVP-G fallen, dürfen die für die Energiewende maßgeblichen Photovoltaik-Freiflächenanlagen weiterhin nur auf gesondert dafür gewidmeten Flächen ("Photovoltaik-Grünland") errichtet werden. Da diese Flächen in Österreich nur sehr spärlich sind, muss fast immer umgewidmet werden. Dazu bedarf es eines Aktivwerdens der jeweiligen Gemeinde, die hier die Raumordnungsherrschaft behält.

Umwidmungen finden aber oftmals entweder nicht statt oder können aufgrund ihrer Komplexität bis zu zwei Jahre dauern. Komplex ist in diesem Fall nicht die Umwidmung als solche, sondern die Tatsache, dass viele Gemeinden versuchen, unterschiedlichste Interessen unter einen Hut zu bringen.

Die Europäische Union ist deutlich ambitionierter, die Errichtung von Erneuerbare-Energie-Anlagen auch gegen Widerstände zu ermöglichen. Kürzlich hat sie einen Entwurf einer Notverordnung mit dem Ziel veröffentlicht, Genehmigungsverfahren für Erneuerbare-Energie-Anlagen zu beschleunigen.

Mit der Brechstange?

Projekte sollen nach Verstreichen einer bestimmten Zeit ab der Einreichung bei der Behörde automatisch – ohne jeglichen Bescheid – als genehmigt gelten. Dieses juristische Konzept ist in Österreich bekannt, spielt bei Projektgenehmigungen bisher aber kaum eine Rolle. Rechtlich löst der Entwurf daher eine Lawine an Fragen aus. Welche Behörde ist zuständig? Wann tritt Rechtskraft bei der Genehmigungsfiktion ein? Bedarf es vorab (Um-)Widmungen? Wer hat Parteistellung?

Die Verordnung, so sie tatsächlich kommt, wäre auf ein Jahr befristet. Sie bedarf keiner nationalen Umsetzung, sondern gilt unmittelbar in jedem EU-Mitgliedsstaat.

Der Politik scheint die Dringlichkeit der Energiewende bewusst zu sein. Wann mit einer Umsetzung der EU-Notverordnung sowie der UVP-G-Novelle zu rechnen ist, ist aber nicht absehbar. Dies ist in Österreich insbesondere dem kommunalen Widerstand gegen die geplante Novelle aufgrund der geplanten "Entmachtung" im Raumordnungsrecht geschuldet. Allerdings sollten die Akteure bedenken, dass etwa bei Infrastrukturprojekten ebenfalls ein Weisungsrecht des Bundes gilt. Die Dringlichkeit der Energiewende könnte daher auch hier eine Kompetenzverschiebung rechtfertigen. (Stefanie Werinos, Sandra Kasper, 12.12.2022)