Rumäniens Innenminister Lucian Bode wirft seinem österreichischen Amtskollegen Gerhard Karner vor, gelogen zu haben.

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Das Schreiben ist für einen Austausch zwischen zwei befreundeten europäischen Staaten ungewöhnlich scharf. Der rumänische Innenminister Lucian Bode hat an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) einen Protestbrief geschickt, in dem er Karner der Lüge bezichtigt. Inhaltlich geht es um die für Rumänien überraschende österreichische Ablehnung des Beitritts des osteuropäischen Landes zum Schengen-Raum am 8. Dezember beim EU-Rat der Innenminister.

Bode betont in dem Brief, dass die anderen EU-Innenminister "für eine faire und ehrliche Herangehensweise an den Prozess des Beitritts Rumäniens zur EU gesorgt" und "faire Analysen durchgeführt" hätten. Österreich habe hingegen "eine unfaire, ungerechte Entscheidung ohne wirkliche Rechtfertigung, die auf EU-Ebene enormen Schaden anrichtet und im aktuellen geopolitischen Kontext einen gefährlichen Präzedenzfall darstellt", gefällt.

Tiefe Empörung

"Leider schreibe ich Ihnen, um meine tiefe Empörung über Ihr Votum im Rat der Innen- und Justizminister gegen den Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum zum Ausdruck zu bringen, nachdem Sie mir am 23. November in Wien, in Anwesenheit unserer Kollegen, versichert haben, dass Sie 'ein Freund Rumäniens' sind und Ihre Position sich nicht 'gegen Rumänien, sondern gegen ein dysfunktionales System, das auf keinen Staat ausgedehnt werden sollte', richte", so der Brief.

Mit der Ablehnung Österreichs seien nicht nur die Verdienste Rumäniens und der rumänischen Bürger "mit Füßen getreten" worden, "sondern auch die Werte und Prinzipien, die uns auf europäischer Ebene leiten", kritisiert Bode. "Alle Mitgliedsstaaten konnten sehen, wie Österreich eine willkürliche Entscheidung getroffen hat, die das Recht Rumäniens, ein Vollmitgliedsstaat des Schengen-Raums zu sein, eklatant verletzt, und die Argumente, die Sie am Ende dieses Prozesses hatten, haben einfach nichts mit der Realität zu tun. Herr Minister, Sie haben ein politisches Spiel gemacht, das eines Landes unwürdig ist, das eine so reiche politische Tradition hat und so lange eine gefestigte Demokratie ist."

Unterstützung im Jänner

Bode schreibt weiter, dass Karner ihm bei einem Treffen im Jänner die Unterstützung Österreichs für den Beitritt zum Schengen-Raum zugesichert habe und Österreich sich auch während der Ministerkonferenz des Salzburg-Forums in Bukarest auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt habe, in der alle Mitglieder den Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum begrüßen. Karner ließ sich offenbar bei diesem Treffen am 16. November in Bukarest vertreten. Bode schreibt dann weiter darüber, dass Karner am 18. November, zwei Tage später, erstmals sein Nein zur Erweiterung des Schengen-Raums ausdrückte.

"Niemand konnte verstehen, was in zwei Tagen passiert ist, warum Sie Ihre Position grundlegend geändert haben, obwohl kein neues Element aufgetaucht war." Rumänien sei "auf unfaire, diskriminierende und unlogische Weise" behandelt worden. "Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber diese Art des Verhaltens und Handelns ist keinem Politiker der Europäischen Union angemessen", so Bode zu Karner. Und weiter: "Sie wissen genauso gut wie ich, dass das von Ihnen angesprochene Migrationsproblem nicht Rumänien zugeschrieben werden kann. Alle anderen Mitgliedsstaaten haben es verstanden, Herr Minister. Sie haben es geschafft, nicht nur eine Revolte von Rumänen in Österreich zu provozieren, sondern auch eine Ihrer eigenen Bürger, die die Realitäten vor Ort kennen und wissen, dass es unfair und unmoralisch ist, Millionen von europäischen Bürgern mit falschen Argumenten zu bestrafen."

Lügen und Ungerechtigkeit

Bode versichert darauf hin, dass Rumänien weiterhin fest entschlossen sei, dem Schengen-Raum beizutreten. "Abschließend übermitteln Sie bitte allen Ihren Untergebenen, mit denen ich eine gute Zusammenarbeit hatte, all meinen Respekt und meinen Dank für die gemeinsame Anstrengung, die wir unternehmen, um die Sicherheit der europäischen Bürger zu verteidigen. Zumindest gegenüber Ihren Untergebenen und den Bürgern, die Ihnen das Vertrauen ausgesprochen haben, bleiben Sie, Herr Minister, in einer moralischen Pflicht. Denn auf Lügen und Ungerechtigkeit lässt sich nichts Großes und Dauerhaftes aufbauen", endet das Schreiben.

Einige politische Beobachter in Bukarest vermuten, dass Innenminister Lucian Bode in den nächsten Tagen zurücktreten könnte. Bereits nach dem Schengen-Nein gab es mehrere Rücktrittsaufforderungen an ihn. Bode, aber auch Präsident Klaus Iohannis wird der Vorwurf gemacht, nicht genug dagegen getan zu haben, um die Ablehnung Österreichs zu verhindern. (Adelheid Wölfl, 12.12.20222)