Im Gastblog schildert Anwalt Helmut Graupner, wie ein ehemaliger Polizist um seine Pension kämpft, die ihm aufgrund seiner sexuellen Orientierung vor knapp 50 Jahren um ein Viertel gekürzt wurde.

E. B. wurde 1974 durch das Landesgericht für Strafsachen Wien ausschließlich aufgrund des berüchtigten homophoben Sonderstrafgesetzes § 209 Strafgesetzbuch (StGB) (Sondermindestaltersgrenze von 18 Jahren für schwule Beziehungen gegenüber 14 Jahren für lesbische und heterosexuelle Kontakte) zu drei Monaten Kerker, verschärft durch einen Fasttag monatlich, verurteilt. Das Oberlandesgericht Wien hat diese Verurteilung bestätigt.

Zu diesem Zeitpunkt war der damals 32-jährige Mann bereits 13 Jahre lang verdienter und mehrfach belobigter Polizeibeamter im Rang eines Revierinspektors. Die Kontakte mit seinen mündigen Partnern fanden ausschließlich in seinem Privatleben statt.

"Abwegige Neigung"

Aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung wurde E. B. 1976 aus dem aktiven Polizeidienst entlassen. Die Disziplinarkommission bei der Bundespolizeidirektion Wien sprach wörtlich von einer "abwegigen Neigung" und davon, dass der Mann "eine der denkbar schwersten Pflichtverletzungen" begangen habe. Es stehe außer Frage, "daß Homosexuelle in den Reihen der Sicherheitsexekutive für diese an sich schon eine arge Belastung darstellen". "Ein Mann, dessen homosexuelle Neigungen schon bekannt sind, würde wohl kaum Aufnahme bei der Sicherheitswache finden!" (Ausrufezeichen im Original).

Vor knapp 50 Jahren aufgrund homophober Gesetze aus dem Polizeidienst entlassen, setzt sich die Diskriminierung von E. B. vor Gericht bis heute fort.
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Wäre der Polizist eine Frau gewesen, so wäre er nie angezeigt, nie angeklagt, nie verurteilt und auch nie disziplinär bestraft worden. Ebenso wenig, wenn sein Partner eine Frau gewesen wäre. Und auch nicht, wenn beide (sein Partner und er) weiblich gewesen wären. Weil er aber ein Mann ist und seine Partner männlichen Geschlechts waren, wurde er als Sexualverbrecher verurteilt und aus dem aktiven Polizeidienst entlassen.

Die Disziplinarstrafe ist nach wie vor aufrecht. Unter ihren Auswirkungen litt E. B. jahrzehntelang. Er wurde nie wieder in den aktiven Polizeidienst aufgenommen und seine aufgrund des frühen Ausscheidens ohnehin denkbar geringe Pension dauerhaft um 25 Prozent reduziert.

VwGH wies schnöde Ablehnung zurück

Der Mann berief sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention sowie auf die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie (2000/78/EG) und beantragte bereits 2009 die Nachzahlung der Differenz zur regulären Pension und eine Entschädigung für die erlittene Diskriminierung.

Die BVA (heute: BVAEB) und im Berufungsweg der Finanzminister hatten 2010/11 die Ansprüche des ehemaligen Polizisten rundweg abgelehnt. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. Dieser wandte sich an den Verwaltungsgerichtshof und bekam 2012 recht (VwGH 10.10.2012, 2011/12/0007, 0008). Der VwGH hat den Bescheid des Finanzministers wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die BVA musste über die Nachzahlung an Pension entscheiden. Das hat sie 2015, also sechs Jahre nach der Antragstellung, getan. Allerdings hat sie die reguläre Pension viel zu niedrig berechnet, weil sie dabei aus unerfindlichen Gründen einfach 26 Jahre (1976 bis 2002) unter den Tisch hat fallen lassen.

Richterin: Entlassung war keine Diskriminierung

Dagegen hat E. B. Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Dort kam die zuständige Richterin plötzlich auf die Idee, dass der Polizist überhaupt nicht diskriminiert worden sei. Die damaligen Handlungen, die damals für Heterosexuelle legal waren und heute für alle legal sind, würden "eine der denkbar schwersten Pflichtverletzungen" darstellen, so die Richterin im Jahr 2016. Die Richterin verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass die Handlungen "bei jedem anderen Beamten zu denselben disziplinarrechtlichen Folgen geführt hätten". Eine Diskriminierung liege daher nicht vor, beschied sie, ohne die beantragte mündliche Verhandlung abzuhalten und ohne den Betroffenen jemals gesehen zu haben. Sogar die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof hat sie nicht zugelassen.

Über außerordentliche Revision des Diskriminierungsopfers hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorzulegen (VwGH 27.04.2017, EU 2017/0001, Ra 2016/12/0072). Die Große Kammer des EuGH hat dann 2019 entschieden, dass der jahrzehntelang andauernde strafweise Abzug von der Pension eine verbotene Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung darstellt und der Mann dafür zu entschädigen ist (E. B. v Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter BVA 15.01.2019, C-258/17). Diese Entschädigung erfolgte bis heute nicht.

Nach dem Urteil des EuGH hat der Verwaltungsgerichtshof rasch entschieden und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts von 2016 innerhalb eines Monats, im Februar 2019, aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daraufhin innerhalb längstens sechs Monaten entscheiden müssen. Dieselbe Richterin wie 2016 hat den Bescheid der BVAEB erst im Jänner 2020 (und erst nach Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof) aufgehoben.

Entwertete Nachzahlung

Im Sommer 2020 entschied die BVAEB dann endlich, dass der strafweise Abzug von der Pension entfällt und die vorenthaltenen Pensionsbeträge nachzuzahlen sind. Allerdings erst ab 2006, obwohl sowohl der EuGH als auch der Verwaltungsgerichtshof Nachzahlung ab 2003 anordneten. Die vor 2006 vorenthaltene Pension ist laut BVAEB angeblich verjährt. Und vor allem verweigerte die BVAEB jegliche Zinsen aus den vorenthaltenen Beträgen. E. B. erhielt die rechtswidrig vorenthaltenen Pensionsbeträge somit nicht nur mit bis zu eineinhalb Jahrzehnten Verspätung, sondern überdies auch noch mit nur einem Bruchteil der Kaufkraft, die sie bei gesetzeskonformer rechtzeitiger Zahlung gehabt hätten. Seit April liegt diese Frage der Verjährung und der Zinsen (wieder) beim Verwaltungsgerichtshof.

Über die Entschädigung für die erlittene Diskriminierung entschied die BVAEB, wiederum nach Säumnisbeschwerde, erst im Jänner 2021 und packte diese Entscheidung in einen eigenen, zweiten Bescheid. Dadurch verursachte sie E. B. doppelte Verfahrenskosten aufgrund zweier getrennter Beschwerdeverfahren. Kostenersatz gibt es in solchen Sachen, auch im Erfolgsfall, so gut wie keinen; nämlich nur vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof, und auch dort nur zu einem geringen, pauschalierten Teil.

Verfassungsgerichtshof: Willkür

Die BVAEB verweigerte jegliche Entschädigung für die erlittene Diskriminierung, obwohl das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz neben dem Ausgleich des finanziellen Schadens auch einen immateriellen Schadenersatz für die Diskriminierung an sich anordnet. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Verweigerung bestätigt. Wieder die gleiche Richterin, die 2016 eine Diskriminierung überhaupt abstritt, behauptete gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, dass das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz nur für aktive Beamte gelte, nicht aber für Pensionisten.

Der Verfassungsgerichtshof hat das als das bezeichnet, was es ist: Willkür (VfGH 19.09.2022, E 3845/2021). Er hob das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts auf, und dort liegt die Sache jetzt neuerlich seit Oktober 2022. Wieder bei der gleichen Richterin. E. B. wird in wenigen Wochen 82 Jahre alt. (Helmut Graupner, 14.12.2022)