Wann die ersten Sterne im jungen Universum die Nebel erhellt haben, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen; man vermutet, einige Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall. Klar ist nur, dass sich die erste Sternengeneration deutlich anders entwickelt haben muss als alle nachfolgenden Sterne. Unmittelbar nach dem Big Bang existierten im Kosmos ausschließlich Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium. Alle übrigen Elemente – und damit auch solche, die für die Fusionsreaktionen in Sterne eigentlich notwendig wären – wurden erst später bei Supernova-Explosionen gebacken.

Kürzlich haben Astronominnen und Astronomen mithilfe des James Webb Space Telescope zwei Galaxien erspäht, deren Sterne jenen der allerersten Generation schon recht nahekommen. Optisch geben die Abbildungen von GLASS-z12 und GLASS-z10 vielleicht nicht viel her, aber das ist auch kein Wunder: Immerhin war das Licht von diesen Sternen mindestens 13,4 Milliarden Jahre unterwegs, es machte sich auf die Reise, als der Urknall gerade einmal 350 Millionen beziehungsweise 450 Millionen Jahre her war.

Die Galaxie GLASS-z12 ist die neue Rekordhalterin unter den per Spektroskopie vermessenen fernsten Galaxien.
Foto: NASA, ESA, CSA

Unerwartet große Zahl

Die verwaschenen Flecken schließen sich einer Reihe von galaktischen "Babyaufnahmen" der vergangenen Monate an, die jeweils Kandidatinnen für die fernste und älteste Sterneninsel zeigen sollen. Die vielen mithilfe des Webb-Teleskops neu entdeckten frühen Galaxien erfreuen nicht nur die Fachwelt, sie rütteln auch kräftig an etablierten kosmologischen Modellen, widersprecht ihre große Zahl doch einigen bisherigen Vorhersagen.

Einige der Galaxienkandidaten reichen in eine Ära rund 200 Millionen Jahre nach dem Urknall zurück, in eine Zeit, von der man dachte, dass Materie erst langsam zum Baumaterial der ersten Sterne zusammenklumpt.

Kurz nach dem Urknall

Während viele der jüngsten Beobachtungen früher Galaxien noch auf ihre Veröffentlichung in einem Fachjournal warten, haben zwei neue Galaxienkandidaten diese wichtige Hürde bereits genommen. Die Studien erschienen kürzlich in den "The Astrophysical Journal Letters". Die beiden Galaxien entstanden 350 Millionen und 450 Millionen Jahre nach dem Urknall. Damit sind sie die fernsten Galaxien, die mit spektroskopischen Methoden vergleichsweise sicher datiert werden konnten.

Obwohl die im April, Juli und August vorgestellten Galaxienkandidaten durchaus auch jünger sein könnten, haften ihren Entfernungsmessungen gewisse Unsicherheiten an. Große Distanzen im Kosmos werden anhand der sogenannten Rotverschiebung gemessen. Sie ist ein Effekt, den das expandierende Universum auf Licht hat: Der sich aufblähende Kosmos streckt auch die Wellenlängen von Licht in Richtung Rot. Je länger die Reise der Lichtstrahlen, desto größer die Dehnung und damit auch die Rotverschiebung.

1) GLASS-z10, 2) GLASS-z12.
Die neu entdeckten Galaxien befinden sich weit hinter dem riesigen Galaxienhaufen Abell 2744.
Fotos: NASA, ESA, CSA, Tommaso Treu, Zolt G. Levay

Unsichere Messungen

Aufgrund dieses Zusammenhangs und mithilfe photometrischer Untersuchungen der Helligkeit und Farbe des Beobachtungszieles lässt sich eine einigermaßen gute Entfernungsschätzung erreichen. Doch letztlich sind es nur eher unzuverlässige Anhaltspunkte. Staubige Galaxien beispielsweise erscheinen bisweilen röter und dadurch weiter entfernt, als sie es tatsächlich sind.

Für eine genauere Distanzbeurteilung bevorzugen Astronominnen und Astronomen daher die Spektroskopie, bei der das Lichtsignal in seine spektralen Komponenten aufgespalten wird. Das Verfahren lieferte ein genaueres und verlässlicheres Ergebnis über die Streckung des Lichts.

Robuste Kandidaten

Diese Methode kam nun auch zur Bestimmung der Entfernung der neuen Galaxienkandidaten zur Anwendung: Zwei Teams, eines unter der Leitung von Rohan Naidu vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), das andere rund um Marco Castellano vom Astronomischen Observatorium von Rom, fanden die beiden fernen Galaxien unabhängig voneinander in den Webb-Daten.

Die jüngere der beiden übertrumpfte den bisherigen durch spektroskopische Messungen bestimmten Rekordhalter um rund 75 Millionen Jahre: Die Galaxie mit dem Namen GN-z11 war 2016 vom Hubble -Weltraumteleskop erspäht worden und erstrahlte rund 400 Millionen Jahre nach dem Urknall. Entgegen früheren Zweifeln seien die beiden aktuellen Objekte "sehr robuste Kandidaten", meinte Castellano. Folgebeobachtungen seien dennoch nötig, um ihren Rekord zu untermauern. (tberg, 12.12.2022)