In Traiskirchen sind derzeit etwa 2.000 Menschen untergebracht. Zum Vergleich: In ganz Niederösterreich sind 1.300 Asylwerber in der Landesgrundversorgung.

Foto: Daniel Scharinger / picturedesk.

Mitte Oktober begann der Bund in Oberösterreich, Kärnten, Tirol und Vorarlberg mit dem Aufstellen von Flüchtlingszelten. Diese seien notwendig, um "Obdachlosigkeit zu vermeiden", sagte damals Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Jetzt, zwei Monate später, sind die kleinen, weißen Zelte zwar verschwunden. In Großraumzelten, sogenannte Wartezonen, werden aber immer noch Migranten untergebracht – auch bei Minusgraden.

Der Grund dafür ist mittlerweile bekannt: Die meisten Bundesländer hinken der Unterbringungsquote von Flüchtlingen immer noch hinterher, wodurch es sich in den Bundesquartieren massiv staut. Lösungen für diese Situation gab es bislang keine.

Strafe fließt in Quartiere

Für eine Auflösung dieses Patts hat die Asylkoordination am Montag einen Vorschlag präsentiert: Jene Länder, die nicht ausreichend Asylwerber übernehmen, sollen Strafzahlungen leisten, forderte Lukas Gahleitner-Gertz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Asylkoordination, Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ), Schauspielerin Katharina Stemberger und Migrationsforscherin Judith Kohlenberger.

Finanziert werden soll damit etwa der angekündigte Teuerungsausgleich für Quartiergeber. Denn: Quartiere zu halten, geschweige denn neu zu eröffnen sei für Hilfsorganisationen aufgrund der niedrigen Tagsätze und gestiegener Strompreise kaum mehr möglich, ergänzte dazu Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ).

Dieser hat in seiner Stadt mit Problemen anderer Art zu kämpfen. Wie der STANDARD bereits berichtete, stranden seit Monaten Asylwerber vor den Toren des Erstaufnahmezentrums, die offenbar auch von der Polizei quer durch Österreich geschickt werden. Bisher hätten Freiwillige 800 Menschen versorgt, sagt Babler. Doch auch im Bundesquartier selbst ist die Lage nicht besser: Insgesamt befänden sich dort an die 2.000 Menschen, während in der gesamten Landesgrundversorgung in Niederösterreich rund 1.300 Asylwerber untergebracht seien, kritisierte Babler die "Massenlagerzustände".

Babler: "Erbärmlicher" Diskurs

Dass nun auch Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) von "Asyltourismus" spricht, bezeichnet Babler als "erbärmlich". Er sei bereit, auch ideologische Auseinandersetzungen zu führen, "aber politisch Verantwortliche, die Menschen durch ihre Handlungen Schaden zufügen, sind das Allerletzte".

Auch die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger sieht die Bundesländer und den Bund bei der Unterbringungsfrage in der Pflicht: Österreich sei "sehenden Auges" in diese Krise geraten. Auch sie übte Kritik daran, dass die Nichterfüllung der Quote nicht sanktioniert werde. "Einzig und allein den Außengrenzschutz als Antwort auf die Herausforderungen in der Asylpolitik zu geben, das ist zu kurzfristig."

Kohlenberger: ÖVP widersprüchlich

Widersprüche, gerade vonseiten der ÖVP, gebe es aber auch auf einer anderen Ebene: Seit langem funktioniere die Verteilung auf unterschiedliche EU-Länder nicht. Wegen zahlreicher Grundrechtsverletzungen in Griechenland würden sich die Menschen nun selbst auf den Weg machen. "Sie verteilen sich nun auf eigene Faust", sagt Kohlenberger. Und gerade hier sei die ÖVP-Haltung nicht nachvollziehbar. "Einerseits verlangen sie Lösungen von Brüssel, gleichzeitig spricht man sich auf EU-Ebene gegen eine Verteilung aus."

Umgerechnet auf die Einwohnerzahl liegt Österreich hinter Zypern und Island auf Platz drei bei den Asylanträgen. Von einem Verteilungsschlüssel könnte man hierzulande sogar profitieren, gibt Kohlenberger zu bedenken.

Privater fühlt sich im Stich gelassen

Auch ein privater Quartiergeber berichtete bei der Pressekonferenz von seinen Erfahrungen. Vier Geflüchtete aus der Ukraine beherbergt Hannes Gollowitzer seit Kriegsbeginn in seinem Einfamilienhaus im Burgenland. Er beklagte, dass es mehr bürokratische Hürden als Unterstützung von staatlicher Seite gebe. Auch mangelnde finanzielle Unterstützung sei gerade angesichts der Teuerung ein Problem für viele private Quartiergeber. Tatsächlich entlasten Private den Staat bei der Unterbringung Geflüchteter massiv: 80 Prozent aller Ukrainerinnen sind in Österreich nicht in Quartieren, sondern in Häusern oder Wohnungen untergebracht. Einen finanziellen Ausgleich gibt es neben dem Mietkostenzuschuss aber nicht. "Ich fühle mich von der Politik im Stich gelassen", sagt Gollowitzer.

"Jeder Mensch hat das Recht auf ein faires Asylverfahren und menschenwürdige Unterbringung", sagte Katharina Stemberger, Vorsitzende der Initiative "Courage – Mut zur Menschlichkeit" am Schluss der Konferenz. Herbergsuche sei kein Gnadenakt, sondern ein Recht, meint die Schauspielerin. (Elisa Tomaselli, 12.12.2022)