Patricia Kopatchinskaja: "Die 45-Jährige rauft, sticht, schlägt oder streichelt in Tönen"

Foto: imago/Rudolf Gigler

In der hermetischen Welt der Klassik ist sie der frische Wind; wo andere zur Dressur der Emotionen neigen, reitet sie lieber ohne Sattel. Patricia Kopatchinskajas Spiel erinnert in seiner körperlichen Intensität an das eines wilden Kindes: Die 45-Jährige rauft, sticht, schlägt oder streichelt in Tönen. Und ihr Spiel ist immer szenisch gedacht und auch gelebt: Musiktheater, eigentlich.

Zum Zwei-Personen-Stück wurde ihr Duoabend mit Pianist Fazıl Say aber nicht – bei aller Lust an radikalen Kontrasten verschmolzen die beiden meist zu einer emotionalen Einheit. Leoš Janáčeks Sonate für Violine und Klavier war geprägt von Extremen: Zwischen einem beinharten Tackling und einem Trancezustand reichen für die Neo-Wienerin fünf Takte Abstand.

Erregung ist bei Kopatchinskaja nie schwülstig, sondern meist schmerzdurchwirkt: so auch im Kopfsatz der d-Moll Sonate op. 108 von Johannes Brahms. Der schlichte Beginn des Adagios war zum Weinen schön. Der Höhepunkt des Konzerts dann Bartóks faszinierende erste Violinsonate, die vor 100 Jahren nebenan im Mozart-Saal uraufgeführt wurde. Im Finale wurden Kopatchinskaja/Say zu Berserkern, Derwischen, Rockstars. Woodstock in Wien! Wacken in Wien! Das Publikum im Großen Saal ertobte sich eine Zugabe. (Stefan Ender, 13.12.2022)