1992 beschmierten zwei Männer 88 Grabsteine am jüdischen Friedhof in Eisenstadt. Die Täter waren in der FPÖ aktiv.

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Die Tat sorgte weltweit für Abscheu und Schlagzeilen. In der Nacht des 31. Oktober 1992 beschmierten zwei Männer 88 Grabsteine am jüdischen Friedhof in Eisenstadt. Neben Davidsternen, Hakenkreuzen und SS-Runen wurden Nazi-Parolen und Aussagen wie "Hitler viele vergessen", "Juden raus", "Sieg heil", "Saujude" und "NSADP" gesprayt. Auf einem Grabstein schrieben die Täter "Sieg Haider", eine Hommage an den damaligen FPÖ-Parteichef Jörg Haider.

Auf einem Grabmal hinterließen die beiden Männer eine Art Bekennerschreiben, in dem sie die "Kadaverstätten" der "Affen" für "nicht duldbar" bezeichneten.

Simon Wiesenthal am Tatort in Eisenstadt.
Foto: Robert Newald

Das Schreiben endete mit dem Satz: "Auf diese Weise möchten wir unserem Vorbild Jörg Haider einen Arischen Gruß zukommen lassen. HEIL HAIDER Rassischsozialistische Arische Widerstandsbewegung (R.A.W.)".

Anti-Ausländer-Volksbegehren "Österreich zuerst"

Als Reaktion demonstrierten in Wien Tausende gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Die Tat platzte in eine politisch stark aufgeladene Zeit. Haider sorgte mit seinen Provokationen und Kampagnen ständig für Schlagzeilen, in der damals mächtigen Kronen Zeitung etwa, die den Politiker wohlwollend unterstützte. Höhepunkt war die Ankündigung des Anti-Ausländer-Volksbegehrens "Österreich zuerst".

Über Monate trommelte der damalige FPÖ-Parteichef Jörg Haider für sein Volksbegehren "Österreich Zuerst".
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Auf diese fremdenfeindliche Kampagne reagierten Akteurinnen und Akteure der Zivilgesellschaft mit der Gründung der Menschenrechtsorganisation SOS-Mitmensch. Nur wenige Wochen nach der Gründung fand im Jänner 1993 das Lichtermeer gegen das FPÖ-Volksbegehren statt. Bis zu 300.000 Menschen gingen in Wien und in anderen österreichischen Städten auf die Straße, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Das Volksbegehren wurde nur von 416.531 Menschen unterstützt und blieb damit unter den Erwartungen.

Am 23. Jänner 1993 fand das Lichtermeer statt: Eine Reaktion auf das Volksbegehren der FPÖ.
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Kurz danach trat Heide Schmidt, damals stellvertretende Parteivorsitzende, aus der FPÖ aus und gründete mit vier weiteren FPÖ-Mandataren das Liberale Forum. Sie wollten den Kurs von Haider nicht mehr mittragen.

FPÖ in der Opferrolle

Auf die Schändung des jüdischen Friedhofs reagierte die FPÖ nach einem bewährten Muster. Sie verurteilte die Tat und machte sich zum Opfer. "Linke Provokateure" würden hinter der Tat stehen, um Haider zu schaden, hieß es damals.

Tatsächlich wurde 1996 einer der Täter ausgeforscht und deswegen noch im selben Jahr von einem Wiener Neustädter Geschworenensenat wegen NS-Wiederbetätigung rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilt. "Ich habe nur mitgemacht, um meinen einzigen Freund nicht zu verlieren", erklärte er im Prozess.

Täter waren bei der FPÖ aktiv

Er und sein Freund waren Neonazis und bei der FPÖ aktiv. Der mutmaßliche Haupttäter, Wilhelm Christian A., konnte sich nach der Verhaftung seines Komplizen jedoch ins Ausland absetzen. Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), machte den Mann 2002 über seine Aktivitäten im Netz ausfindig. A. hatte sich nach Südafrika abgesetzt, wo er als Gelegenheitsarbeiter sein Auskommen fand und eine Homepage betrieb. Im Jahr 2003 beendete er seine Flucht und kehrte nach Österreich zurück, nachdem ihm auf Weisung des Justizministeriums freies Geleit zugesichert wurde. Ein Jahr später wurde er zu einer dreijährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.

"Stimmungsmache der FPÖ gegen Ausländer"

Schon zuvor war bekannt, dass die beiden Friedhofsschänder in der FPÖ aktiv waren. Der ehemalige Staatssekretär und FPÖ-Abgeordnete Karl Schweitzer hatte A. einst zum RFJ und auf den zweiten Listenplatz der Gemeinderatswahl in Stadtschlaining gebracht. Auch der Komplize war beim RFJ aktiv. Bei seinem Prozess führte A. aus, warum der Friedhof geschändet wurde. Demnach wollten die beiden Täter die "Stimmungsmache der FPÖ gegen Ausländer" verstärken und "mediale Aufmerksamkeit" erlangen. Über seine Gesinnung sagte A., dass er wohl ein "Mitglied des nationalen Lagers" gewesen sei, aber kein "Hardcore-Nationalsozialist". Die in dem Bekennerschreiben angeführte Organisation "RAW" (Rassistischer Sozialistischer Arischer Widerstand) habe nur aus ihm und seinem Komplizen bestanden. Den jüdischen Friedhof in Eisenstadt habe man deshalb als Ort der Aktion gewählt, weil er "sehr abgelegen und ohne Beleuchtung" war. Dass es 88 Gräber waren, die geschändet wurden, sei ein "reiner Zufall" gewesen, sagte A. Die Zahl 88 dient in neonazistischen Kreisen als Code für "Heil Hitler". (Der achte Buchstabe im Alphabet ist das H, 88 ergibt HH und steht für den Nazi-Gruß.)

Trotz dieser offenkundigen Verbindungen blieb die FPÖ bei ihrer Opfer-Argumentation. Der damalige FPÖ-Politiker Ewald Stadler behauptete sogar, A. sei von politischen Gegnern bewusst in die FPÖ eingeschleust worden, um ihr zu schaden. Eine offensichtlich an den Haaren herbeigezogene Behauptung, die Stadler etwa damit begründete, dass der Vater von A. ein ÖVP-Funktionär gewesen sei.

Vor Gericht wegen alpen-donau.info

Im Jahr 2011 geriet A. erneut in die Schlagzeilen. Er wurde im Zuge der Ermittlungen gegen die neonazistische Hetz-Website alpen-donau.info, kurz "Adi", verhaftet. Die rassistische und judenfeindliche Site war das Sprachrohr der rechtsextremen Szene, auf der Gewalt befürwortet und Politiker und Journalistinnen bedroht wurden. Im Jahr 2014 wurde neben A. der Neonazi Gottfried Küssel und einer seiner engsten Weggefährten zu Haftstrafen verurteilt.

Gottfried Küssel und die beiden weiteren Angeklagten.
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Neben A. tauchen jedoch noch weitere Personen mit (teils ehemaligem) FPÖ-Hintergrund in den Ermittlungen rund um den Alpen-Donau-Komplex auf. Zwei von ihnen waren Mitarbeiter im freiheitlichen Parlamentsklub und nahmen an Veranstaltungen teil, die auf "alpen-donau.info" beworben wurden. Ein weiterer war RFJ-Funktionär im Kärntner Villach. Sein Vater arbeitete bis 2010 für das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, wie die Zeitung "Die Presse" schrieb. Und ein FPÖ-Abgeordneter versorgte "alpen-donau.info" mit Material.

An der Wiege der Identitären

Die Ermittlungen gegen die Hintermänner der Website standen an der Wiege einer neuen Gruppierung, die 2012 erstmals in Österreich in Erscheinung trat. Ein Weggefährte von Küssel schlug neue Wege ein und hat es mittlerweile zum Mastermind und Gesicht der Identitären gebracht: Martin Sellner. (Markus Sulzbacher, 18.12. 2022)