Whatsapp droht mit einem Rückzug aus dem Vereinigten Königreich.

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Messenger wie Whatsapp, Signal und Telegram ermöglichen Milliarden Menschen, private Unterhaltungen im digitalen Raum zu führen. Ein Privileg, das immer stärker ins Wackeln gerät. Im Namen des Kampfes für den Kinderschutz erarbeitet die Europäische Union derzeit ein Gesetz zur Chatkontrolle, das effektiv zur Untergrabung aller verschlüsselter Kommunikation führen könnte.

Doch die EU ist nicht allein mit diesem Vorhaben, ähnliche Pläne schmiedet Großbritannien. Schon im Sommer wurde bekannt, dass der Inselstaat die Hersteller von Messenger-Diensten unter Androhung von Strafzahlungen zur Unterwanderung der verschlüsselten Kommunikation zwingen will. Dieser Schritt bleibt allerdings nicht ohne Gegenwehr. Ganz konkret droht Whatsapp stattdessen mit dem Rückzug vom britischen Markt, wie der "Telegraph" berichtet.

Autoritäre Sperren

"Die harte Realität ist, dass wir ein globales Produkt anbieten. Es wäre eine sehr schwierige Entscheidung für uns, eine Änderung vorzunehmen, die die Sicherheit von 100 Prozent unserer Nutzer verschlechtert", sagt Whatsapp-Chef Will Cathcart gegenüber der Zeitung. Im schlimmsten Fall müsse man deshalb den Kompromiss eingehen, "dass wir in einigen Ländern verboten sind". Bisher hätten sich allerdings nur autoritäre Staaten dazu entschieden, Whatsapp zu sperren. Die dortige Regierung kann eine Netzsperre von Services anordnen, die sich nicht den geplanten Regeln beugen.

Offiziell setzt sich das Gesetz zum Ziel, die Verbreitung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder einzudämmen und Terrorismus zu bekämpfen. In der Praxis wären Messenger dazu gezwungen, auf dem Smartphone von Nutzerinnen und Nutzern nach entsprechendem Material zu suchen – und somit die Verschlüsselung zu unterwandern.

Dasselbe gilt auch für die Chatkontrolle der EU. Missbrauchsmaterial soll mithilfe sogenannter Hashes aufgespürt werden, also einem digitalen Fingerabdruck, der mit bekanntem Material verglichen wird. Ein solcher Scan kann wegen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der meisten Anbieter allerdings nur am Endgerät stattfinden. Diese stellt sicher, dass Inhalte während des Transportwegs nicht ausgelesen werden können. Das Gesetzesvorhaben würde dementsprechend für eine Unterwanderung von ebendieser sorgen.

Massive Kritik

Kritik kommt nicht nur von Datenschützern. Laut dem Hackerverein Chaos Computer Club trage die anlasslose Massenüberwachung "nichts zur Sicherheit von Kindern bei, sondern gefährdet Kinder und Jugendliche und öffnet sperrangelweite Einfallstore für Missbrauch". Viel wichtiger sei es, die Unterstützung von Kinderschutzorganisationen zu verbessern.

Sogar der UN-Menschenrechtskommissar äußerte sich im Herbst zum Thema "Client Side Scanning". Dieses stelle einen Paradigmenwechsel in Sachen Privatsphäre und Grundreche dar. DER STANDARD berichtete. Problematisch seien ihm zufolge unter anderem die unvermeidbaren falsch-positiven Alarme, die potenziell schwerwiegende Konsequenzen für Betroffene hätten. Hinzu komme eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Menschen würden Selbstzensur üben, wenn sie sich überwacht fühlen.

Österreichs Politik gegen Vorhaben

In der Zwischenzeit haben auch mehrere Mitgliedsstaaten Skepsis gegenüber dem Vorhaben geäußert. Ganz konkret hat sich bisher aber nur Österreich gegen die Chatkontrolle ausgesprochen. In einem Antrag zur Stellungnahme durch den Nationalrat – der eine mehrheitliche Unterstützung von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos sicher hat – wird die Bundesregierung dazu aufgefordert, in weiteren Verhandlungen die Sicherung der Grundrechte zu garantieren. Ein Standpunkt, den die Datenschützer von Epicenter Works als "guten Tag für das offene Internet und unsere Privatsphäre" bezeichneten.

Der EU hat Whatsapp bisher noch nicht mit einem Rückzug gedroht. (mick, 13.12.2022)