Im Handel stiegen die Preise auch stärker an, als es durch den bloßen Preisanstieg bei Produkten zu erklären wäre.

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Wer im Supermarkt aufmerksam einkauft und Preise betrachtet, wird sich diese Frage in jüngster Zeit öfter gestellt haben: Warum genau ist dieses oder jenes Produkt so viel teurer als vor einem Jahr, wie kann das sein? Kostet zum Beispiel der Kaffee im Regal deshalb um gut 20 Prozent mehr, weil die Produzenten ihrerseits mit so viel höheren Kosten zu kämpfen haben?

Eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung aus Deutschland kommt zu dem Ergebnis, dass in einigen Branchen die Preissteigerungen für Konsumentinnen und Konsumenten nichts damit zu tun haben, dass Unternehmen ihrerseits mehr für diverse Vorleistungen wie Energie zahlen müssten. Sprich: Die Betriebe konnten ihre Gewinnmargen ausweiten, wie die Analyse des Ökonomen Joachim Ragnitz vom Forschungsinstitut Ifo zeigt.

Am Bau und in der Landwirtschaft steigen die Gewinne besonders

Der Ökonom hat sich angesehen, wie sich die Differenz zwischen den Preisen für Vorleistungen und den tatsächlichen Absatzpreisen bei Unternehmen entwickelt. Eine Ausweitung des Unterschieds legt den Schluss nahe, dass Unternehmen höhere Gewinne einfahren. Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene hat sich nicht wirklich etwas getan, so die Analyse.

Doch in der Landwirtschaft haben Erzeuger ihre Preise um mehr als 60 Prozent über das Niveau angehoben, das durch den teureren Einkauf erklärbar wäre. Für einen Euro an Preissteigerungen bei Vorleistungen wurden die Endproduktpreise für Konsumentinnen und Konsumenten um 1,60 Euro angehoben. Im Baugewerbe betrug der Aufschlag 20 Prozent, im Handel waren es immerhin noch neun Prozent.

"Unternehmen haben in einigen Wirtschaftsbereichen trotz steigender Kosten ihre Gewinne ausweiten können und damit die Inflation auf der Verbraucherstufe sogar noch verstärkt", heißt es im Paper.

Dass gesamtwirtschaftlich ein solcher Effekt nicht feststellbar war, liegt laut dem deutschen Ökonomen vor allem daran, dass der größte Teil des Wirtschaftslebens von Dienstleistungen bestimmt wird und es hier bei den Preisen insgesamt viel weniger Bewegung gab. Die Daten aus der Studie stammen vom statistischen Bundesamt in Deutschland.

Studienautor Ragnitz hat andere Ursachen für Preiserhöhungen ausgeschlossen, etwa höhere Löhne. Denn die Lohnstückkosten im untersuchten Zeitraum sind relativ stabil geblieben.

Spannend ist, dass laut dem Ifo-Experten die Unternehmen ihre Gewinnmargen bereits 2021 ausweiten konnten, also die Tendenz schon vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine begonnen hat. Seit dem Überfall Russlands Ende Februar hat sich die Entwicklung noch einmal beschleunigt.

In den USA wird bereits seit längerem darüber diskutiert, was die Quelle der Inflation ist: Also welcher Anteil auf echte Kostensteigerungen zurückführbar ist und welcher auf Gewinnmitnahmen. In Österreich dürften ähnliche Untersuchungen bisher fehlen.

Der Chef des Forschungsinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr, twitterte am Dienstagnachmittag in Reaktion auf das Ifo-Paper, dass es in Österreich wohl "nicht anders" sein werde.

Wenn alle die Preise anheben

Warum aber können Betriebe plötzlich ihre Preise so stark anheben und damit dennoch ihre Marktposition halten? "Alle Preise steigen, und solange viele Anbieter mitmachen und keiner ausschert, geht die Strategie auf", sagt der deutsche Ökonom Ragnitz dazu.

Diese Entwicklung werde natürlich nicht ewig anhalten, früher oder später würden große Player, etwa im Einzelhandel, beginnen, über niedrigere Preise Kundinnen und Kunden anzulocken um so Marktanteile zu gewinnen.

Was folgt aus alledem? Ökonom Felbermayr sagt, dass die Vorgänge "kein Beleg für Unmoral oder gar Gesetzesbruch seinen, sondern die Effekte sehr laxerer Geld- und Fiskalpolitik". Sprich: In einer Marktwirtschaft verhalten sich Betriebe, die hier mögliche Gewinne realisieren angesichts allgemeiner Preissteigerungen, bloß rational. Der deutsche Ökonom Ragnitz sieht es ähnlich. Von Schnellschüssen rät er auch ab, eine Übergewinnsteuer etwa hält er für keine gute Idee, wie er im STANDARD-Gespräch sagt.

Unscharfes Instrument

Erstens wäre das ein sehr unscharfes Instrument, damit würden auch die Gewinne jener Betriebe zusätzlich besteuert, die zum Beispiel durch Innovation mehr Profite erwirtschaftet haben. Große Gewinne würden andere Betriebe wiederum zu Investitionen anregen, dies könnte durch eine Übergewinnsteuer als Anreiz verlorengehen.

In Österreich wurden die hohen Preissteigerungen unter anderem bereits bei der Debatte über Brennholz diskutiert: Damals gab es Berichte über angebliche Knappheiten am Markt. Tatsächlich hatten Händler das Holz zurückgehalten, um von weiteren Preissteigerungen zu profitieren. Der Ökonom Stephan Schulmeister schlug deshalb vor, die Transparenz am Markt für Kundinnen und Kunden zu erhöhen, um Preisentwicklungen leichter nachvollziehbar zu machen. Das könnte den Preiswettbewerb anfachen, so die Idee. (András Szigetvari, 13.12.2022)