1978: Der "Hansi-Burli" fügt Deutschland auf argentinischem Boden die Schmach von Córdoba zu. Der politische Rest ist Schweigen.

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Viel war und ist von der Menschenunwürdigkeit der Fußball-WM zu lesen: Sie findet aktuell im sonnenreichen Katar statt. Um die Fackel der Aufklärung ist es in dem Wüstenemirat gewiss nicht zum Besten bestellt. Sie lodert, falls überhaupt, mit weitaus geringerer Strahlkraft als eine der vielen Bohrturmspitzen.

Wer da nun glaubt, sich am Zynismus der Fifa besonders heftig stoßen zu müssen, sollte ein paar ältere Panini-Hefte konsultieren. Mögen die Abziehbilder vergilbt sein, die Umstände vergessen: Die von den Österreichern innig geliebte Fußball-WM von 1978 fand in Argentinien statt, damals eine lupenreine faschistische Diktatur. Während Hans Krankl ("der Hansi-Burli", Edi Finger Senior) den deutschen Vorstopper Rolf Rüssmann schwindlig tanzte und das unmöglich scheinende Wunder von Córdoba vollbrachte, stürzten die Büttel der Junta zahlreiche Oppositionelle ("Desaparecidos") in den Tod. Sie kippten die Gefolterten in die Mündung des Río de la Plata. Das Regime dieser Mörder in Uniform währte, von vielen unbeanstandet, immerhin noch bis 1983.

Schon in den Aufbruchsjahren der Ära Kreisky galt die Devise: Man muss nicht alles Unrecht, das auf der Welt passiert, öffentlich bereden. Die Berichterstattung der Boulevardpresse entzündete sich damals vornehmlich an der Frage, ob es gut für unsere Kicker wäre, wenn die Spielerfrauen ungehindert Zutritt hätten zum Teamquartier.

Große Schlappen

Ich, ein schüchterner Babyboomer in den Pubertätsanfängen, hatte nicht die geringste Idee, was an der Zusammenkunft der Partner verwerflich sein könnte. So ähnlich sahen das auch unsere Prachtfußballer. Die mussten, offenbar nachhaltig geschwächt, gegen Holland (die "Elftal") prompt eine Eins-zu-fünf-Schlappe einstecken.

Córdoba selbst erlebte ich vor dem Fernseher nicht mit: Zur besten Spielzeit hatte sich mein Musiklehrer die Ansetzung eines Konzertes unseres Schulorchesters in den Kopf gesetzt. Missmutig schlug ich den Triangel, und zwar immer falsch im Takt. Es war mein allererster, schwer hörbarer Beitrag zur Kultur des politischen Ungehorsams. (Die Kolumne von Ronald Pohl, 14.12.2022)