Im Gastblog betrachtet der Geologe und Bibliothekar Thomas Hofmann Naturforscher, deren Leben im Dienste der Forschung stand und bei der wissenschaftlichen Arbeit dramatisch endete.

Der 1875 geborene Philipp Oberländer war passionierten Großwildjäger. Als Mitbesitzer einer Baumwollspinnerei in Hronow (heute Tschechien) hatte der Großindustrielle die nötigen finanziellen Mittel für zahlreiche, kostspielige und gefährliche Reisen vom hohen Norden bis in die Tropen. Seine reiche Jagdbeute mit den Trophäen verschafften ihm Genugtuung und Ansehen bei Anderen. Viele der erlegten Tiere schenkte er als Gönner dem Naturhistorischen Museum. "Seinem Eifer verdankt diese Sammlung die meisten Bereicherungen an seltenen und wertvollen Tieren in den letzten drei Jahren", ist den Annalen des Museums (1912) zu entnehmen. Oberländers Geschenkliste ist lang. Eine Datenbankabfrage von Frank Zachos und Alexander Bibl von der Säugetiersammlung des Museums ergibt 422 Treffer, davon sind 32 Tiere im ersten Stock, in den Sälen der Säugetiersammlung zu sehen. Darunter finden sich Rothirsch, Okapi, Riesenwaldschwein, Gorilla, Riesenschuppentier, Ringelrobbe, Riesen-Elenantilope und ein Eisbär.

Fanatischer Jäger: "Drei Bären in einer Minute"

Zum Nachlesen: Oberländers Jagderlebnisse aus seiner eigenen Sicht.
Foto: ONB

Publizistisch – er schrieb auch als Karl Refuß – seien aus seiner Feder "Durch norwegische Jagdgründe" (1899) oder "Jagdfahrten in Nordamerika" (1911) erwähnt. In letzterem Buch sehen wir ihn als Cowboy mit doppelläufigem Gewehr.

Der passionierte Jäger Phillipp Oberländer gefällt sich in der Pose eines Cowboys.
Foto: ONB

Ein anderes Bild zeigt ihn mit drei erlegten Eisbären. Die Bildunterschrift "Drei Bären in einer Minute" lässt ihn wenig sympathisch erscheinen. Der martialische Eindruck wird durch seinen Ehrgeiz bei der Jagd verstärkt. "Für Repetierbüchsen habe ich keine Sympathie. Ich hatte es noch nie zu bedauern, daß mir nur zwei, allerdings absolut sichere Schüsse zur Verfügung stehen, da ich nur umso vorsichtigeren Gebrauch von ihnen mache." Doch damals tickten die Menschen anders, seine großzügigen Schenkungen, die Verdienste für die Schaffung von Wohlfahrtseinrichtungen waren im Herbst 1910 Anlass für die Verleihung des Adelstitels.

3. März 1911: Vom Büffel aufgespießt und getötet

Tragisch, wenngleich auch eng mit seiner Jagdleidenschaft verbunden war sein Tod am 3. März 1911 in Afrika. Der "bekannte österreichische Sportsman und Naturforscher Philipp v. Oberländer" war – so die Neue Freie Presse am 7. März 1911 – "auf der Büffeljagd von einem Büffel, den er beim Schuß gefehlt hatte, aufgespießt und getötet worden". Es klingt wie eine Ironie des Schicksals, dass sein Leichnam südlich Khartum im Sudan begraben wurde, doch die Trophäe des Büffels den Weg nach Wien gefunden hat. Dazu bemerkt Hans Berko: "Zoologisch interessant ist auch das enorme Gehörn des afrikanischen Kaffernbüffels, das über 30 Kilogramm wiegt (...) Der Büffel, der dieses Gehörn trug, tötete den bekannten Wiener Afrikareisenden Max [sic!] v. Oberländer".

"Aufgespießt und getötet." Diese Büffelhörner wurden Oberländer zum Verhängnis.
Foto: NHMW / Schumacher

Im Naturhistorischen Museum finden sich knappe Notizen zu besagtem Kaffernbüffel (Syncerus caffer) mit der Inventarnummer 5520. "Ph.v.O., der von Lawalla (n.lok.) 3 Stunde S Mongalla aus jagte, schoß d. Büffel am 3. März an & wurde in einem überraschenden Angriff getötet; etwa 3 Tage später wurde der Büffel in der Nähe von G. gespeert." Hatte er sich im Herbst 1910 noch gegen Repetierbüchsen ausgesprochen, hätte ihm eine solche im März 1911 möglicherweise das Leben gerettet.

Ernst Priesner: Seit 19. Juli 1994 verschollen in den Bergen

Manch tragischer Forschertod hat auch eine mysteriöse Komponente. Solche Fälle lassen viele Fragen offen, kennen keine Antworten, sie liefern bestenfalls Stoff für Vermutungen. Ernst Priesner, Wiener des Jahres 1934, hatte an der Universität Wien studiert und hier 1959 über Riesenschnaken – "Nahrungswahl und Nahrungsverarbeitung bei der Larve von Tipula maxima" – promoviert. Die beruflichen Stationen des Entomologen waren Göttingen, München und Seewiesen in Bayern, wo er am dortigen Max-Planck-Institut über Glasflügler forschte. Sein Spezialgebiet waren synthetisch hergestellte Pheromone, also Duftstoffe, um Insekten anzulocken. Auf diesem Gebiet gehörte er zu den Granden.

Gewissenhaft kontrollierte er die in der Natur aufgestellten Pheromonfallen, um deren Wirkung zu testen. So auch am 19. Juli 1994, als er in den Bergen bei Garmisch-Partenkirchen rund um den Pflegersee unterwegs war – doch er kam nie wieder zurück. "Trotz intensiver Suche durch Polizei, Bergwacht und Freunde konnte Ernst Priesner nicht gefunden werden. Man fand lediglich seinen Wagen und etwa 200 Pheromonfallen an zwei abschüssigen Standorten. Auch alle späteren Suchaktionen waren erfolglos." Doch diese Zeilen in seinem Nachruf, den Ernst-Gerhard Burmeister verfasste, beantworten keineswegs die Frage: Was ist passiert?

Bembecia priesneri, hier ein Männchen, trägt den Namen des seit 1994 verschollenen Ernst Priesner.
Foto: Theo Garrevoet

Lebendig bleibt sein Andenken bei seinen Freunden und Forschern, die ihm ein standesgemäßes Denkmal setzten: die Benennung einer in Anatolien neu entdeckten Art eines Glasflüglers, die seit 1998 seinen Namen trägt: Bembecia priesneri.

Urban Schloenbachs Tod: "Lungenschlag zu Bersaska"

Telegramme bringen selten gute Nachrichten. Mit der Botschaft, die am 13. August 1870 von Drenkova im Banat eiligst an die Geologische Reichsanstalt in Wien überbracht wurde, hatte keiner gerechnet. "Schmerzerfuelt Nachricht von heute frueh ploetzlich erfolgten Ableben Schloenbachs [sic!] an Lungenschlag zu Bersaska". Wer war der Verstorbene und was war passiert? Die Neue Freie Presse hatte am 17. August genauere Informationen: "Eine vor etwa acht Tagen bei einer Excursion erlittene anscheinend leichte Erkältung hatte seinen plötzlichen Tod herbeigeführt."

Die Nachricht vom Tod Schloenbachs kam mit einem Telegramm nach Wien.
Foto: GBA

Georg Justin Carl Urban Schloenbach wurde am 10. März 1841 in Liebenhall bei Salzgitter in Niedersachsen geboren, sein Vater war Obersalineninspektor – der Berufsweg von Urban war schon vorgezeichnet. Sein Studium begann er in Göttingen, wechselte dann nach Tübingen, "und hier bekam derselbe zuerst Geschmack am geologischen und paläontologischen Studium sowohl durch die lebendigen und geistreichen Vorträge F. A. v. Quenstedt's als durch zahlreiche Excursionen". 1861 ging er nach München, 1862 nach Berlin, ehe er 1863 promovierte. Es folgte 1864 eine Frankreich-Reise.

Der junge Schloenbach besuchte internationale Fachtagungen, reifte zu einem hoffnungsvollen Paläontologen und kam im Frühjahr 1867 nach Wien. Hier verschaffte ihm sein Mentor Franz von Hauer, Direktor an der k. k. Geologischen Reichsanstalt, eine fixe Stellung und zog die Kollegenschaft mit wissenschaftlicher Kompetenz und "dem liebenswürdigsten Auftreten" in den Bann. Schloenbach gefiel es in Wien. Ein Angebot, eine neu zu gründende Bergakademie in Peru zu leiten, schlug der 26-jährige Wissenschafter aus. Schloenbach wollte in Wien Karriere machen.

"Mit heutigen Medikamenten einfach zu behandeln"

Im Frühjahr 1870 erhielt er einen Ruf an die Lehrkanzel für Mineralogie, Geologie und Paläontologie des deutschen Polytechnicums in Prag. Er nahm ihn an und wollte im Oktober mit den Vorlesungen beginnen. Doch vorher zog es ihn in das Banat, wo er im Hochsommer 1870 geologische Feldarbeiten des Vorjahres finalisieren wollte. Dabei dürfte er sich in dem "unwirthlichen, von Urwäldern bedeckten Gebirge" – wie es sein Freund Emil Tietze schreibt – überanstrengt haben. Er schlief im Freien, was in der Folge zu "heftigem Gelenkrheumatismus" führte, dann "verschlimmerte sich der Zustand des Kranken rapid und nach scheinbar eingetretener Besserung endete ein Lungenödem" schließlich tödlich.

29 Jahre: Urban Schloenbach, eine große Hoffnung in den Erdwissenschaften, starb viel zu früh.
Foto: GBA

Eine zeitgemäße Interpretation des historischen Befunds liefert der Allgemeinmediziner Richard Edl: "Es scheint eine Infektion gewesen zu sein, die mit heftigen Gliederschmerzen ('Gelenksrheumatismus') eingesetzt hat und sich dann vermutlich zur Lungenentzündung ausgewachsen hat. 'Das Gehen nahezu unmöglich' würde ich als Fieberzustand im Zuge der Entzündung sehen, der massive Kreislaufprobleme nach sich zieht und einen ausgeprägten Schwächezustand verursacht. Lungenentzündung mit Todesfolge wäre plausibel und mit heutigen Medikamenten inklusive Antibiotika einfach zu behandeln. Das 'Lungenödem' wäre als terminales Herzversagen zu interpretieren, das unter anderem zu Wasserstau in der Lunge führt." Urban Schloenbach lebt in der Ammonitengattung Schloenbachia weiter – ad multos annos! (Thomas Hofmann, 22.12.2022)