Thomas König, Experte für Forschungspolitik am Institut für Höhere Studien, kritisiert in seinem Gastkommentar, dass im Entwurf zum Medienförderungsgesetz auf die Wissenschaft vergessen worden ist. Noch sei Zeit für eine Korrektur.
Es ist so einfach. Gehen Sie auf die Website des österreichischen Parlaments, klicken Sie auf "Beteiligung und Stellungnahmen" und dort auf "vorparlamentarisches Begutachtungsverfahren" und suchen Sie den Gesetzesentwurf über die "Förderung des qualitätsvollen Journalismus in Medien", eingegangen am 7. 11. 2022. Gehen Sie auf den Tab "Stellungnahmen" und registrieren Sie sich mit einer E-Mail-Adresse. Und dann erfüllen Sie in einer kurzen Minute Ihre staatsbürgerliche Pflicht.
Das Medienförderungsgesetz ist der Versuch, die Zuwendung von Steuergeldern für Print- und Onlinemedien in Österreich nach klaren und transparenten Kriterien festzulegen. Das Anliegen ist gut und leider auch überfällig. Die Umsetzung in Form des vorliegenden Entwurfs ist offenbar – wenn man Expertinnen und Experten traut – an mehreren Stellen verbesserungswürdig. Und dann gibt es da eine Sache, die fällt unter grobe Unterlassung. Das Kriterium der Wissenschaft fehlt.
Wussten Sie, dass wir uns Wissenschaft, Forschung und Entwicklung einiges kosten lassen? Denn Österreich soll zu einem "Innovation-Leader" werden, zur innovativsten Volkswirtschaft in der Europäischen Union. Das bedeutet: Steuergelder für Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung investieren; Steuergelder für gute Lehrende, welche das künftige Humankapital an Unis und FHs ausbilden; Steuergelder für Forschungsprojekte, von der Grundlagenforschung, die Anton Zeilinger zum Nobelpreisträger gemacht hat, bis zur angewandten Entwicklung von international marktfähigen Produkten. Wussten Sie, dass wir in einer sogenannten Wissensgesellschaft leben? Das bringt zum Ausdruck, dass wissenschaftlich produziertes Wissen so gut wie alle Bereiche unseres Lebens durchdringt: vom Smartphone bis zur Wettervorhersage. Und es war die wissenschaftliche Forschung, die die Basis zur Eindämmung der Verbreitung von Sars-CoV-2 geschaffen hat. Ohne Wissenschaft keine Sequenzierung des Virus, keine Modellierung von Infektionswellen, keine Erhebung der Effektivität von Maßnahmen, keine Herstellung von Impfstoffen.
Mit prüfendem Blick
Wussten Sie, dass viele Verantwortungsträger in diesem Land mit Sorge beobachten, wie Teile der Bevölkerung der Wissenschaft skeptisch gegenüberstehen beziehungsweise angeben, sie spiele in ihrem Leben keine Rolle? So zumindest das Ergebnis der Eurobarometer-Umfrage von letztem Jahr, die Österreich unter allen europäischen Ländern an die vorletzte Stelle gebracht hat. Minister Martin Polaschek hat sogar eine eigene Studie in Auftrag gegeben, um die Gründe für diese Einstellung zu erheben.
Wie in jeder Demokratie stellen die österreichischen Medien die sogenannte "vierte Gewalt" dar. Unabhängige Berichterstattung informiert die Wählerschaft und zieht Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zur Verantwortung. Und doch gibt nur wenige, die kompetent und objektiv über Wissenschaft berichten können. Das ist eine unbefriedigende Situation: Zwar hält sich jede Universität, jedes größere Forschungsinstitut heute eine eigene PR-Abteilung. Dagegen zählt Eva Stanzl, Vorsitzende des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten, im ganzen Land nur acht Wissenschaftsredaktionen, fünf davon bei österreichischen Tageszeitungen.
Das ist wenig. Das ist zu wenig für diese Republik. Wissenschaft ist ein Gegenstand von höchster Bedeutung für unser Zusammenleben. Dazu braucht es objektive, distanzierte Berichterstattung über Wissenschaft. Wissenschaft muss demselben prüfenden Blick unterworfen werden wie alle anderen Bereiche von öffentlichem Interesse. Nur so kann Wissenschaft selbst ihrer Rolle für die Öffentlichkeit entsprechen. Nur so kann das Vertrauen in Wissenschaft gestärkt werden.
Gewaltiger Wandel
Die Medienwelt durchläuft einen gewaltigen Wandel, und es ist im innersten Interesse der Öffentlichkeit sicherzustellen, dass die Medien ihrer Aufgabe weiterhin nachkommen können: kritische, objektive Berichterstattung in allen Belangen, die von öffentlichem Interesse sind, die es der Wählerschaft erlaubt, sich über die Vorgänge in der Republik zu informieren. Das ist das richtige Anliegen des Medienförderungsgesetzes.
Wir finanzieren Wissenschaft, wir leben mit Wissenschaft, unsere Eliten machen sich Sorgen über unsere Einstellung zu Wissenschaft. Ich würde behaupten, das sind drei sehr triftige Gründe, warum es in Österreich mehr unabhängige Berichterstattung über Wissenschaft geben sollte. Aber: Der Entwurf zum Medienförderungsgesetz nennt Wissenschaft explizit nicht als Kriterium. Ich hoffe, Sie teilen jetzt meine Meinung, dass das eine grobe Unterlassung darstellt.
Glücklicherweise leben wir in einer demokratischen Republik. Bitte nehmen Sie an der Begutachtung des Medienförderungsgesetzes teil und fordern Sie unsere Repräsentanten im Nationalrat auf, die Unterlassung zu korrigieren. Bis zum 19. Dezember haben Sie Zeit. Alles, was Sie schreiben müssen, ist, dass das Kriterium "Wissenschaft" der Aufzählung der förderungswürdigen Themen hinzugefügt werden soll. Es ist so einfach. (Thomas König, 14.12.2022)