Dieses Bild zeigt österreichische und ungarische Beamte an der Grenze zu Serbien im März 2020. Heute sind in der Region 70 Polizisten im Einsatz.

Foto: Tamas Soki

Die bilaterale Polizeiaktion soll die Schlepperei bekämpfen, Flüchtlinge aufgreifen und damit dem Nachbarstaat Ungarn unter die Arme greifen; also jenem Land, das durch das Weiterwinken von Asylsuchenden maßgeblich für die stark gestiegenen Anträge in Österreich verantwortlich sein soll.

Im Rahmen des "Operation Fox" getauften Einsatzes sollen künftig 30 weitere heimische Polizisten und Polizistinnen in Ungarn, unweit der österreichischen Grenze, patrouillieren – Hand in Hand mit ungarischen Kollegen. Ausgestattet sind sie neben der Dienstwaffe auch mit Pfefferspray, zwei Polizeihunden und Drohnen.

Zum Start der Aktionsausweitung am Dienstag durfte die passende Inszenierung nicht fehlen: Auf der Brücke im burgenländischen Andau, also direkt an der ungarischen Grenze, ließ Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) wissen, welche Aufgaben die österreichischen Kräfte erwarten: "Sie haben die Aufgabe, konsequent und fest auf die Asylbremse zu steigen."

Wärmebildkameras und Fahrzeugkontrollen

Neu sind "Operationen" dieser Art nicht. Die 30 Männer und Frauen ergänzen die schon bisher vor Ort befindlichen rund 30 österreichischen Polizeikräfte. Hinzu kommen 70 heimische Beamte, die an der ungarisch-serbischen Grenze nach Flüchtenden und Schleppern suchen. Rechtlich möglich ist das aufgrund bilateraler österreichisch-ungarischer Vereinbarungen sowie des Prümer Vertrags.

Er dient der Vertiefung einer Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Terrorismus, grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler Migration. Er eint 13 EU-Mitgliedsländer, unter anderem auch Ungarn und die beiden durch Österreich am Schengenbeitritt gehinderten Länder Bulgarien und Rumänien. Der Prümer Vertrag wird auch "Schengen III" genannt. Er ist kein EU-Abkommen.

Bei der "Operation Fox" gehe es jedenfalls etwa um Einsätze an der "grünen Grenze", heißt es aus dem Innenministerium zum STANDARD – für Waldstücke haben die Einsatzfahrzeuge auch Wärmebildkameras an Bord. Der Großteil der Polizisten wird aber auf ungarischen Straßen im Einsatz sein – und dort ganz normale Fahrzeugkontrollen durchführen.

Von EuGH verurteilt

Greifen österreichische Beamte eine Person auf, übergeben sie diese an die ungarischen Kollegen. Was danach passiere, beantwortet man im Ministerium so: Stelle die Person keinen Asylantrag in Ungarn, und das ist der absolute Regelfall, werde sie über die Grenze zurückgeschoben – meistens also nach Serbien. Liege kein Asylantrag vor, sei das eine rechtlich legitimierte Zurückweisung, betont man im Ressort.

Allerdings: Ungarn hat in den vergangenen Jahren tausende Menschen ohne rechtmäßiges Verfahren abgeschoben – und wurde dafür vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wiederholt verurteilt.

Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger sieht in der österreichischen Aktion eine "Auslagerungspolitik". Indem man die Kontrollen nach Ungarn vorverlagere, helfe man sich vor allem selbst, sagt sie zum STANDARD. In größerem Maße kenne man diese Auslagerungen bereits aus dem EU-Türkei-Deal. Bisher flossen Milliarden in die Türkei, die im Gegenzug Flüchtlinge von Ort behält.

"Aufhören, mit Orbàn zu kuscheln"

Bei Ungarn sei die Situation aber eine andere: "Ungarn nimmt so gut wie keine Asylanträge an." Konkret seien es fünf pro Monat, "und selbst diese Zahl ist aufgerundet", sagt Kohlenberger. Auch die Neos-Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper, sieht die Polizeizusammenarbeit kritisch, ebenso wie Österreichs Ungarnpolitik insgesamt: "Die ÖVP sollte aufhören, mit Orbàn zu kuscheln, und ihn lieber dazu auffordern, die Menschen so zu behandeln, wie EU-Recht und EMRK es vorsehen, und europäische Lösungen vorantreiben, statt sie zu blockieren", sagt sie.

Seit Jahren machen zudem NGOs wie Amnesty International auf illegale Zurückweisungen an der ungarischen Grenze zu Serbien aufmerksam. Im Jahr 2021 hätten dort mehr als 71.000 solcher Pushbacks stattgefunden. Sollten die österreichischen Beamten solche Menschenrechtsverletzungen beobachten und nicht einschreiten, könnten diese selbst geltendes Recht verletzen, heißt es von der NGO.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Die Beamten hätten sich "aller Handlungen zu enthalten", die den Grundsätzen von Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde und Grundrechten sowie "ethischen Grundsätzen zuwiderlaufen", heißt es dazu vom Innenministerium. Das zuständige Referat im Ressort wäre bei derartigen Vorfällen zudem "sofort zu verständigen".

Kohlenberger befürchtet dagegen, dass nach Übergabe an die ungarischen Kolleginnen und Kollegen das Prinzip "aus den Augen, aus dem Sinn" gelten könnte. Ob die Menschen abgeschoben werden, könnte die österreichischen Beamten dann nicht weiter kümmern. (Irene Brickner, Elisa Tomaselli, Martin Tschiderer, 14.12.2022)