Die Hilfsleistungen der Regierung stoßen nicht nur auf Wohlwollen.

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Ist es richtig, wenn der Staat angesichts der hohen Inflation versucht, Bürgerinnen und Bürgern die Mehrkosten mit der Gießkanne zu ersetzen, oder gibt es dafür bessere Alternativen? Über diese Frage wird in Österreich diskutiert, seitdem die türkis-grüne Regierung ihre ersten Antiteuerungspakete vorgelegt hat.

Bisher war der Tenor bei den etablierten Forschungsinstituten Wifo und IHS positiv. Dass der Staat viel Geld in die Hand nimmt, sei richtig, so die Expertinnen und Experten. Dass mit den Maßnahmen der Konsum angekurbelt wird und damit die Inflation weiter angeheizt werden könnte, wurde dagegen als geringes Risiko bewertet.

In dieser Debatte gibt es seit Dienstag einen neuen, interessanten Input: Die staatlichen Hilfsprogramme befeuern demnach sehr wohl die Inflation, waren nicht zielgerichtet, die Teuerung wurde überkompensiert. Das große Risiko sei nun, dass der Staat zu früh das viele Geld verteilt hat, während die Probleme nun erst beginnen.

Das ist das Ergebnis einer Analyse der österreichischen Ökonomen Kurt Kratena vom kleinen Wiener Forschungsinstitut Cesar. Kratena hat im Auftrag des Neos-Lab, des Thinktanks der namensgebenden Oppositionspartei, die Folgewirkungen der staatlichen Hilfsprogramme in Verbindung mit der gestiegenen Inflation untersucht. Wie wirken sich also diese beiden Faktoren auf Einkommen, Teuerung und Wirtschaftswachstum aus?

Große Versprechen

Zunächst wird deutlich, dass der Staat einiges an Unterstützung auf den Weg gebracht hat: Allein 2022 stellt der Staat Haushalten und Unternehmen Hilfen in der Höhe von 7,9 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Summe steigt im Jahr 2026 aus heutiger Sicht sogar auf fast zwölf Milliarden Euro. Dabei sind in diese Rechnung alle bisher fixierten Maßnahmen berücksichtigt, also etwa die Strompreisbremse für Haushalte, der heuer erhöhte Klimabonus, die Abschaffung der kalten Progression inklusive der Valorisierung von Sozialleistungen.

Ökonom Kratena hat nun zwei Szenarios durchgerechnet: Im ersten nahm er die aktuelle Energiepreisentwicklung für 2022 und 2023 als Basis, Strom- und Gaskosten sind also deutlich gestiegen, doch die Situation an den Energiemärkten hat sich zuletzt beruhigt.

Dabei zeigt sich, dass der Staat die Teuerung überkompensiert hat: Die realen Einkommen der Haushalte werden heuer um ein Prozent steigen. Ohne Maßnahmen wären sie um 2,2 Prozent gefallen.

Grafik: DER STANDARD

Wer gewinnt

Bemerkenswert: Beim einkommensstärksten Drittel der Haushalte führen die staatlichen Entlastungen dazu, dass die Menschen 2022 trotz Teuerung mehr und nicht weniger im Geldbörsel haben. In unteren Einkommensgruppen ist das nur bei dem Zehntel mit dem niedrigsten Einkommen der Fall, ansonsten schlagen sich hier Reallohnverluste trotz staatlicher Hilfen zu Buche. "Das Paket ist nicht treffsicher", wie Kartena sagt. Wobei Lukas Sustala, Chef des Neos-Lab, bei der Präsentation der Zahlen ergänzt, dass bei ärmeren Haushalten die Entlastungen relativ zum Einkommen schon höher waren.

Laut Berechnung legt der private Konsum heuer um 9,9 Prozent zu – ohne die staatlichen Unterstützungen wären es nur 8,1 Prozent gewesen. Diese erhöhte Nachfrage "erzeuge weiteren Inflationsdruck", heißt es in der Analyse, auch wenn Kartena keinen exakten Wert angibt.

Die Hilfen haben auch einen leicht positiven Effekt auf die Konjunktur. Allerdings sei diese auch ohne die staatliche Unterstützung gut gelaufen. Hier liegt dann auch einer der springenden Punkte der Analyse: Das Risiko ist sehr hoch, so Kratena, dass die Regierung zu früh und zu viel kompensiert hat und dafür im kommenden Jahr in Schwierigkeiten geraten wird, sollten neuerlich hohe Hilfen notwendig sein. Dass die Inflation angetrieben wurde, verschärfe das Problem.

Sollten die Energiepreise dann noch einmal stark anziehen – das ist das zweite berechnete Szenario –, würden die Haushaltseinkommen im kommenden Jahr um acht Prozent einbrechen. Bei stabilen Energiepreisen wären es vier Prozent. Damit drohen besonders für untere Lohngruppen größere Einkommensverluste. Diese zu kompensieren wird zusätzliches Geld kosten. Doch neue Schulden zu finanzieren ist durch höhere Zinsen langfristig schwieriger geworden. (András Szigetvari, 14.12.2022)