In Fachkreisen waren die Hoffnungen in mRNA-Impfungen bereits vor Corona groß. Nach ersten Forschungen in den Neunzigern gelang es 2005 erstmals, ein Konzept gegen ungewollte Immunreaktionen des Körpers gegen fremde mRNA zu entwickeln, womit ein wesentliches Hindernis für die Entwicklung von Impfstoffen aus dem Weg geräumt war.

In der Pandemie rückte die Technologie dann schnell ins Rampenlicht. Über zwei Milliarden Dosen von mRNA-Impfstoffen wurden inzwischen verimpft. Doch das ursprüngliche Ziel der Forschungen zu mRNA-Impfstoffen war nicht die Bekämpfung eines Coronavirus, sondern Behandlungsmöglichkeiten gegen Krebs.

Jetzt hat das US-Biotech-Unternehmen Moderna gemeinsam mit dem US-Pharmakonzern Merck, Sharp & Dohme (MSD) den Nachweis erbracht, dass personalisierte Melanom-Vakzine zusammen mit einer Immuntherapie die Rückfallrate und die Mortalität bei Schwerkranken um 40 Prozent verringern.

Muttermale sollten regelmäßig untersucht werden. Bestimmte Formen können auf beginnenden Hautkrebs hindeuten.
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Es handelt sich um eine fortgeschrittene Studie der Phase 2b, die an Menschen durchgeführt wurde, wie Moderna erklärt: "Die aktuellen Resultate sind sehr ermutigend für das Anwendungsgebiet in der Krebstherapie. Die mRNA-Technologie hat bei Covid-19 die Situation revolutioniert." Zum ersten Mal könne man nun das Potenzial der Technik in den Behandlungsergebnissen in einer klinischen Studie zum Melanom zeigen. Man plane weitere Untersuchungen bei Hautkrebs und anderen Krebsformen. "Das Ziel sind voll individualisierte Krebstherapien", sagt Stephane Bancel, Geschäftsführerin des Unternehmens, in einer Aussendung.

Fortgeschrittene Erkrankung

In die Studie, die von Moderna und MSD zusammen durchgeführt wurde, waren 157 Melanompatientinnen und -patienten aufgenommen worden. Sie litten an einer fortgeschrittenen Erkrankung des Stadiums III oder IV. Auch ein Befall von Lymphknoten ohne Fernmetastasen war gegeben. Der Tumor konnte chirurgisch jeweils vollständig entfernt werden. Trotzdem hatten die Erkrankten ein hohes Risiko für einen Rückfall.

Um dem Wiederauftauchen der Erkrankung vorzubeugen, erhielten die Probandinnen und Probanden zwei verschiedene zusätzliche Therapien: Die Hälfte bekam alle drei Wochen und bis zu 18-mal, rund ein Jahr lang, jeweils 200 Milligramm des Anti-PD-1-Immuntherapeutikums Pembrolizumab. Dieser Antikörper ist seit Jahren ein in mittlerweile rund 1.700 Studien untersuchtes Immuntherapeutikum, das Tumoren für das Immunsystem des Erkrankten wieder "sichtbar" und somit bekämpfbar machen soll.

Maßgeschneiderter Impfstoff

Die zweite Hälfte der teilnehmenden Personen bekam Pembrolizumab und zusätzlich ein jeweils nach den molekularen Charakteristika "ihres" Melanoms individuell hergestelltes mRNA-Krebsvakzin. Dies erfolgte in neun Teilimpfungen. Der Krebsimpfstoff ist dabei für bestimmte Eigenschaften des Tumors, sogenannte Neoantigene, kodiert. Damit soll eine Immunreaktion gegen die typischen mutierten Proteine des Melanoms hervorgerufen werden.

Nach der Injektion produzieren die Zellen der Geimpften diese Proteine, sie werden dem Immunsystem als "fremd" präsentiert und sollen dann bekämpft werden. Insgesamt soll die Strategie die Behandlung mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor ergänzen und verstärken.

2020 wurde der erste mRNA-Impfstoff zugelassen. Inzwischen sind mehrere Vakzine verschiedener Hersteller auf dem Markt.
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Die Ergebnisse zeichneten ein recht eindeutiges Bild: Unter der Kombinationstherapie wurde im Vergleich zu Pembrolizumab allein eine Senkung der Häufigkeit von Rückfällen mit dem Wiederauftauchen des Melanoms bzw. Todesfällen durch die Krebserkrankung von 14,4 Prozent auf zehn Prozent beobachtet. Das bedeutete eine Risikoreduktion für Wiedererkrankung und Tod um 40 Prozent.

Weltweit laufen seit vielen Jahren Studien mit personalisierten Krebsvakzinen. Sie werden konzipiert, um das Immunsystem so zu aktivieren, dass es eine individuelle, speziell abgestimmte Antitumorreaktion erzeugen kann. Dabei entstehende spezifische T-Lymphozyten sollen das bösartige Gewebe schließlich bekämpfen. Allerdings gehen viele Fachleute davon aus, dass immunologische Therapien am besten in Kombination mit zusätzlichen Behandlungsmodalitäten wirken dürften. Deshalb entschieden sich MSD und Moderna eben für das Austesten von Krebsvakzin und Immuncheckpoint-Inhibitor.

Verschiedene Hersteller

Die beiden US-Unternehmen sind mit dem mRNA-Tumorvakzin bei weitem nicht allein in diesem Feld. Auch Biontech arbeitet seit längerer Zeit an mRNA-Vakzinen, anfangs mit dem Ziel einer Krebstherapie. Mit dem Auftauchen von Sars-CoV-2 und der Covid-19-Pandemie gelang es aber, dieses Verfahren in nie dagewesener Geschwindigkeit für die Entwicklung von Impfstoffen gegen einen Krankheitserreger umzuwandeln und schnell große Mengen zu produzieren.

Hautkrebs ist bei früher Entdeckung gut behandelbar, bei zu später Diagnose allerdings eine besonders heimtückische Krebserkrankung. Weltweit wird jährlich bei rund 325.000 Patientinnen und Patienten Hautkrebs diagnostiziert. (APA, red, 14.12.2022)